Familienstreit – Wenn Gottes Zusagen ausbleiben?

Predigt – Sonntag – Miserikordias Domini – Genesis 16,1–16

Zentraler Gottesdienst in der Kirche von Greiz-Pohlitz am 14.04.2024

Liebe Gemeinde,

was tut man, wenn Gottes Verheißungen und Zusagen ausbleiben und sich nicht erfüllen. Da wartet man nun viele Jahre darauf und nichts passiert. Langsam weicht der Glaube. Zweifel und Unglaube machen sich breit.

Ist es dann nicht legitim, dass man die Sache selbst in die Hand nimmt und das Beste nach seinen eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten macht, besonders dann, wenn ein Ende der Möglichkeiten naht und sich keine Lösung zeigt.

In den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte der deutsche Psychotherapeut Bert Hellinger die therapeutische Methode der Familienaufstellung. Dabei sollen verborgene Dynamiken oder unbewusste Verstrickungen innerhalb der Familie aufgedeckt werden. Die Teilnehmer können so neue Einsichten gewinnen, emotionale Blockaden lösen und potenziell konstruktivere Beziehungen innerhalb ihrer Familie entwickeln.

Ob diese Methode wirklich so effektiv ist, wird in der Wissenschaft recht kontrovers diskutiert. Dennoch möchte ich das in der heutigen biblischen Geschichte einmal probieren.

So wird uns das Verhältnis der Menschen zueinander gezeigt, die miteinander versuchten, diese Verheißungen Gottes mit eigenen Mitteln zu erfüllen.

Hier der Predigttext:

Genesis 16,1–16 BB
1 Abrams Frau Sarai hatte keine Kinder bekommen. Sie hatte eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. 2 Sarai sagte zu Abram: »Der HERR hat mir Kinder verweigert. Geh doch zu meiner Magd! Vielleicht kann ich durch sie ein Kind bekommen.« Abram hörte auf Sarai. 3 So gab Sarai ihrem Mann Abram ihre ägyptische Magd Hagar zur Nebenfrau. Abram wohnte damals schon zehn Jahre im Land Kanaan. 4 Er schlief mit Hagar, und sie wurde schwanger. Als sie merkte, dass sie schwanger war, sah sie auf ihre Herrin herab. 5 Da sagte Sarai zu Abram: »Mir geschieht Unrecht, und du bist schuld. Ich war es doch, die dir meine Magd gegeben hat. Kaum ist sie schwanger, sieht sie auf mich herab. Der HERR soll zwischen dir und mir entscheiden!« 6 Abram antwortete Sarai: »Sie ist deine Magd und in deiner Hand. Mach mit ihr, was du für richtig hältst.« Daraufhin behandelte Sarai ihre Magd so schlecht, dass diese ihr davonlief. 7 Ein Engel des HERRN fand Hagar an einer Wasserquelle in der Wüste. Sie war am Brunnen auf dem Weg nach Schur. 8 Der Engel fragte: »Hagar, du Magd Sarais, wo kommst du her und wo gehst du hin?« Sie antwortete: »Ich bin auf der Flucht vor meiner Herrin Sarai.« 9 Da sagte der Engel des HERRN zu ihr: »Kehre zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter!« 10 Weiter sagte der Engel des HERRN zu ihr: »Ich werde deine Nachkommen so zahlreich machen, dass man sie nicht zählen kann.« 11 Der Engel des HERRN fügte hinzu: »Du bist schwanger und wirst einen Sohn zur Welt bringen. Den sollst du Ismael, ›Gott hat gehört‹, nennen. Denn der HERR hat dich gehört, als du ihm deine Not geklagt hast. 12 Dein Sohn wird heimatlos sein wie ein Wildesel. Er wird mit allen im Streit liegen und getrennt von seinen Brüdern wohnen.« 13 Hagar gab dem HERRN, der mit ihr geredet hatte, den Namen El-Roi, das heißt: Gott sieht nach mir. Denn sie hatte gesagt: »Hier habe ich den gesehen, der nach mir sieht.« 14 Darum nannte man den Brunnen Beer-Lahai-Roi, das heißt: Brunnen des Lebendigen, der nach mir sieht. Er liegt zwischen Kadesch und Bered. 15 Hagar brachte Abrams Sohn zur Welt. Er nannte den Sohn, den Hagar geboren hatte, Ismael. 16 Abram war 86 Jahre alt, als Hagar Ismael zur Welt brachte.

Diese Geschichte dürfte heute im 21. Jahrhundert nicht mehr so passieren. Denn sie hätte einen MeToo-Aufschrei zur Folge. Es kämen Verurteilungen bei Gericht heraus, mindestens wegen Nötigung, Aussetzung und Leihmutterschaft. Aber was bei uns heute vor Gericht landen würde, war damals in der Kultur von Abraham und Sara üblich.

Nun die Familienaufstellung unseres Textes:

Da ist zuerst Abraham, der Patriarch der Familie. Er steht in der Familie. Er ist der Ehemann von Sara und der Vater von Ismael und Isaak. Bisher hat er mehr oder weniger den Verheißungen Gottes vertraut.

Auf der rechten Seite von Abraham steht Sara, seine Frau. Bisher ist sie kinderlos. Sie hat die Hoffnung, Mutter zu werden, schon aufgegeben. Sie hat auch mit der Unfruchtbarkeit zu kämpfen und drängt Abraham dazu, mit Hagar, ihrer ägyptischen Magd, Kinder zu zeugen. Später bekommt sie dann doch noch einen Sohn Isaak. Dieser ist dann der Sohn der Verheißung.

Auf der linken Seite von Abraham steht Hagar, Saras ägyptische Magd. Sie wird von Sara an Abraham gegeben, um ein Kind zu empfangen, als Sara selbst keine Kinder bekommen kann. Hagar wird die Mutter von Ismael.

Neben Hagar steht ihr Sohn Ismael. Er ist der erstgeborene Sohn von Abraham, geboren von Hagar. Ismael wird später der Stammvater der arabischen Völker.

An Saras Seite stellen wir noch ihren Sohn Isaak. Sie hat ihn geboren, als sie schon im hohen Alter war. Isaak wird dann der Sohn der Verheißung und später der Stammvater der Israeliten und eine zentrale Figur im Glauben des Judentums, Christentums und auch des Islams.

Warum habe ich euch diese Familienaufstellung von Abrahams Familie so aufgezeigt, weil ich euch damit deutlich machen will, dass erst einmal Abraham, Sara und Hagar aber auch Ismael und Isaak Menschen sind, die miteinander verbunden, verstrickt und auch aneinander schuldig werden. Gerade so wird uns erst einmal die Spannungen deutlich, die in der Familie und miteinander da sind.

Natürlich gab es damals eine klare Rechtslage, wie das in der Ehe, der Familie und mit den Söhnen zu sein hat. Aber wie immer galt und gilt, Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei.

Es beginnt schon mit der Spannung zwischen Abraham und Sara. Gott hat einen Nachkommen verheißen, doch der bleibt aus. Wer ist schuld daran? Abraham oder Sara? Die biologische Uhr tickt, eigentlich ist sie schon abgelaufen. Da muss man etwas tun!

Sara sieht keine Chance mehr, selbst Kinder zu bekommen. Der Mann hat noch guten Samen. Nun muss die ägyptische Magd in die Bresche springen. Sara gibt Abraham ihre junge, fruchtbare ägyptische Magd Hagar als Konkubine, als Leihmutter, um so zu Nachwuchs zu kommen. Abraham schläft mit Hagar und sie schenkt ihm einen Sohn.

Doch jetzt geht alles schief. Hagar wird stolz. Sie die junge Fruchtbare sieht auf Sara herab. Sie wird überheblich und verspottet sie: „Du altes Weib! Ich bin jung. Schau her, wie fruchtbar ich bin, ich habe einen Sohn geboren.“

Wir spüren regelrecht, wie die Spannungen jetzt in der Familie steigen und zu explodieren drohen. Und Abraham, der macht erst einmal nichts, um vielleicht die Spannungen abzubauen. (Manche Frau wird jetzt denken: Ja, wie die Männer so sind.)

Aber Sara wird immer wütender und setzt Abraham die Pistole auf die Brust. Ihm ist keine Ruhe gegönnt, solange Sara wütend ist. Obwohl sie selbst die Initiatorin des ganzen Geschehens ist, schiebt sie jetzt Abraham die Schuld in die Schuhe.

Genesis 16,5 LU17
5 Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering geachtet in ihren Augen. Der HERR sei Richter zwischen mir und dir.

Sie verlangt von ihm die schwangere Hagar in die Wüste zu schicken – mit anderen Worten: sie dem Tod auszuliefern. Er tut es hier nicht, sondern überlässt es Sara, dass sie es macht. Durch Repressalien vertreibt sie die schwangere Hagar in die Wüste.

Auch wenn Hagar dann zurückkehrt, das wird nicht die letzte Vertreibung sein. Denn später wird Hagar dann mit Ismael richtig und endgültig vertrieben. Dann ist es auch Abraham, der es macht, auch wenn er seufzend die Hände ringt und es nicht will.

Können wir uns diese familiären Spannungen jetzt vorstellen? Aber alles das geschieht deswegen, weil die Menschen nicht auf Gott, seine Verheißungen und Zusagen vertraut haben, sondern weil sie ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben?

Der Mennonit Jakob Kroeker schreibt dazu:

Abram hatte durch seine Zuflucht zu Hagar geredet; und solange er redete, musste Gott schweigen. Es zeigte sich, dass er sich in seinen menschlichen Kräften und Reserven noch nicht ausgegeben hatte. Der Mensch eilt aber auch in dem Heiligen und Allerheiligsten Gott zu Hilfe, solange er über einen Rest von eigenen Kräften und Mitteln verfügt.

Wie ist das bei uns? Vertrauen wir auf Gott, auf seine Zusagen und Verheißungen, die er uns gemacht hat? Auch wenn sie sich nicht sofort erfüllen? Oder handeln wir immer noch Kraft unserer eigenen Wassersuppe und wollen die Verheißungen Gottes selbst erfüllen? Nehmen wir es selbst die Hand, dass sie sich erfüllen, wenn sie ausbleiben?

Eins ist klar, alle drei Personen Abraham, Sara und Hagar sind hier in dieser Geschichte beides gleichzeitig: Opfer und Täter. Es gibt noch zwei Opfer: die beiden noch werdenden Söhne Ismael und Isaak. Es gibt keine Helden.

Da ist hier die hochmütig gewordene schwangere Magd Hagar, dort die grausame Herrin Sara und der Herr des Hauses, Abraham, der sich als Weichei und Feigling erweist.

Wir bleiben heute bei unserer Geschichte, die sich dann noch einmal mit der endgültigen Vertreibung von Hagar und Ismael in gesteigerter Form wiederholt.

Bis hierher sind schon alle drei aneinander schuldig geworden. Wir erleben hier eine kaputte Familie. Man kann es ohne weiteres mit einer modernen Patchwork-Familie vergleichen. Sie haben von sich aus den Segen Gottes nicht verdient. Auch nicht seine Gegenwart.

Da stellt sich die Frage: Wie kann dann Gottes Gegenwart trotzdem segnend in ihr Leben kommen? Auch für uns stellt sich die Frage: Wie kann Gottes Gegenwart segnend in unser Leben kommen? Vielleicht ist es nicht so kaputt, wie das Leben von den dreien, vielleicht ist es noch kaputter! Spannungen und Streit gibt es auch in unseren Familien, auch in den Freundschaften, Nachbarschaften, im Beruf und wo auch immer!

Unsere Geschichte richtet jetzt den Blick weiter auf Hagar, die Magd. Sie hat es bei Sara nicht mehr ausgehalten und ist in die Wüste geflohen – in Richtung nach Ägypten. Da heißt es von ihr weiter:

Genesis 16,7 BB
7 Ein Engel des HERRN fand Hagar an einer Wasserquelle in der Wüste. Sie war am Brunnen auf dem Weg nach Schur.

Gott sucht und findet den oder die, die Leid erfahren und Leid tragen. Der Engel Gottes stellte der Flüchtigen die Doppelfrage nach ihrer Vergangenheit und nach ihrer Zukunft: “Wo kommst du her, und wohin gehst du?” Ohne Zögern antwortete Hagar auf die erste Frage. Auf die zweite wusste sie nichts zu sagen, denn sie hatte kein Ziel. Hagar wird nun ermutigt, wieder zurückzugehen und den Weg in der Patchwork-Familie des Abraham weiterzugehen, auch wenn dieser Weg nicht leicht sein wird. Hagar wird sogar ermutigt, sich Sara unterzuordnen. Ihr wird auch eine Verheißung für die Zukunft mitgegeben.

Vielleicht ist das manchmal auch unser Weg als Christen. Auszuharren, da wo wir sind, um Zeugnis von unserem Glauben zu geben. Nicht immer, aber manchmal ist es dran.

Der Apostel Paulus macht uns dazu Mut:

  1. Korinther 10,13 LU17
    13 Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt.

Für Sara war die Anwesenheit der schwangeren Hagar weiterhin ein schmerzhafter Pfahl im Fleisch. Das sehen wir später an der endgültigen Vertreibung der Hagar und des Ismaels.

Hier jedenfalls erfährt Hagar noch die besondere Segenszusage Gottes. So kann sie sagen: “El-Roi, du bist ein Gott, der nach mir sieht!

Hagar ist durch den Gottesboten Gott selbst begegnet. Der Engel Gottes ist hier ein Bild für Gott selbst. Gott begegnet dem Menschen, der Mensch kann Gott aber nur in der Gestalt des Engels, des Boten Gottes, wahrnehmen. Durch seinen Engel spricht und handelt Gott selbst. Hagar konnte diesem handelnden und segnenden Gott hinterhersehen.

So ist dann Ismael geboren. Er war nicht der Sohn der Verheißung, sondern der Versuchung der Verheißung nicht zu vertrauen. Doch selbst daraus kann der lebendige Gott Verheißungsvolles machen und seinen Segen geben.

Krass ist, dass Abraham noch einmal 14 Jahre warten musste bis der Sohn der Verheißung Isaak geboren wurde.

Es ist dennoch Gottes Gnade und Barmherzigkeit, dass er sich immer wieder den Menschen trotz ihres Versagens und ihres Misstrauens zugewendet hat. Ja, dass er bei ihnen blieb und seinen Segen zu sprach und auch Irrwege korrigierte und sie zu einem guten Ende führte und sie segnete.

Hagar, Abraham und Sara hätten es verdient, dass Gott sie im Stich ließ und nicht, dass er sie segnete.

Dieser Sonntag heute spricht von der Gnade Gottes – Misericordias Domini. In unserer Geschichte erfahren wir, wie gnädig Gott trotz allem Versagen der Menschen ist.

Und ganz besonders erfahren wir dies Gnade, dass Gott seinen Sohn Jesus sandte, und dieser musste den Weg nach ganz unten gehen bis in die Gottverlassenheit am Kreuz: “Mein Gott, mein Gott warum hast du mich verlassen!” Jesus Christus durchlebte und durchlitt die Gottverlassenheit am Kreuz, die wir verdient haben, damit wir den Segen bekommen können, den er eigentlich verdient hatte. Er schrie zu Gott und erhielt keine Antwort, damit wir, obwohl wir es nicht verdient haben, Gottes Antwort bekommen.

Darum will er für uns der gute Hirte sein. Und es gilt genau das, was er von sich sagt:

Johannes 10,11 LU17
11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.

Johannes 10,14–15 LU17
14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.

Wie wohltuend, dass Jesus anders ist und anders mit uns umgeht! Dass er uns nicht in unserer Not hängen lässt. Dass er uns nicht verachtet, wenn wir an ihn zweifeln und in Not geraten. Sein Herz neigt sich gerade dann uns zu, wenn wir nicht mehr weiterwissen.

Amen.

Exportiert aus Logos Bibelsoftware, 11:13 15. April 2024.

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