Predigt zu Apostelgeschichte 17,22-34 – Sonntag Jubilate 2021
Liebe Freunde,
ich mache gern Individual-Urlaub. Das heißt, Urlaub, bei dem ich mir das Programm selbst aussuche und nicht von einem Reiseveranstalter vorgeben lasse. Das ist manchmal etwas aufwändig und anstrengend, aber dank Reisebücher, Internet und mancher App recht gut möglich. So haben wir es vor einigen Jahren in Istanbul in der Türkei und später dann in Sevilla in Spanien gemacht. Was ich in diesen Städten dann gern gemacht habe, ist ein sogenanntes “Sightseeing” – eine Busrundfahrt durch diese Städte, um über die wichtigsten kulturellen Orte der Städte einen Überblick zu bekommen. Das ist recht hilfreich, um diese Städte und ihre Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. Da kann man anschließend gut auswählen, welche Orte man noch besuchen will.
Kleinere Städte, wie Altenburg, bieten solche Touren nicht an, aber hier gibt es Fremdenführer, die in ähnlicher Weise einen Überblick geben.
Eine “Sightseeing”-Tour machte vor fast 2000 Jahren der Apostel Paulus in der Stadt Athen. Er schaute sich die Stadt an, ganz besonders die heiligen Stätten und Orte der Stadt. Und da gab es damals sehr viele. Denn Athen war eines der Zentren der Geisteswissenschaften im Römischen Reich. Was heute in unserer Gesellschaft als multikulti propagiert wird, das lebte man in dieser Stadt. So gab es eben für alle möglichen Götter Tempel und Altäre.
Nun machte der Apostel Paulus bei seiner “Sightseeing”-Tour eine Entdeckung. Da gab es sogar einen Altar in der Stadt, auf dem opferten die Menschen “dem unbekannten Gott”. Bei allen Göttern, denen man in Athen opferte, es könnte ja doch noch ein Gott geben, den man vergessen hat. Also richtete man auch für ihn einen Altar auf.
Nun in Athen von einem weiteren Gott zu reden, ist das nicht eigentlich Eulen nach Athen tragen? Nein, genau das war der Aufhänger des Apostel Paulus. Es ist das, womit er die Menschen ansprechen kann. So beginnt er seine Rede vor dem Areopag in Athen zu den Menschen, die dort waren:
Mit dem Areopag ist hier nicht der Berg bei Athen gemeint, sondern der Gerichtsort der Stadt, der auch für religiöse Fragen zuständig ist. Auf dem Platz davor, dem area, darf nun Paulus reden.
Der Apostel Paulus stellt sich mit seiner Rede auf die Ebene, bei der die Menschen ansprechbar waren. Die Menschen in Athen waren immer offen für Neues aus der Welt und neue Lehren und haben gern über die grundsätzlichen Dinge des Lebens philosophiert.
Paulus beginnt nun von diesem Gott zu reden:
Apostelgeschichte 17,24–30 BasisBibel
24 Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was in ihr ist. Er ist der Herr über Himmel und Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand errichtet wurden. 25 Er ist auch nicht darauf angewiesen, von Menschen versorgt zu werden. Er selbst gibt uns ja das Leben, die Luft zum Atmen und alles, was wir zum Leben brauchen. 26 Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie die Erde bewohnt. Für jedes Volk hat er festgesetzt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll. 27 Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen – ob sie ihn vielleicht spüren oder entdecken können. Denn keinem von uns ist er fern. 28 Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns und haben wir unser Dasein. Oder wie es einige eurer Dichter gesagt haben: ›Wir sind sogar von seiner Art.‹ 29 Weil wir Menschen also von Gottes Art sind, dürfen wir uns nicht täuschen: Die Gottheit gleicht keineswegs irgendwelchen Gebilden aus Gold, Silber oder Stein. Die sind nur das Ergebnis menschlichen Könnens und menschlicher Vorstellungskraft. 30 Nun – Gott sieht nachsichtig über die Zeiten hinweg, in denen die Menschen ihn nicht gekannt haben. Aber jetzt fordert er die Menschen auf – alle und überall –, ihr Leben zu ändern.
Dennoch waren es keine einfachen Typen, zu denen der Apostel Paulus hier redet. Die Epikureer waren Menschen, deren Leben vom Materialismus geprägt und ihr Leben von Glück und Genuss bestimmt war. Dagegen sah es bei den Stoikern anders aus. Sie galten als Rationalisten, die von Selbstgenügsamkeit und geduldigen Ertragen geprägt waren. Also keine einfachen Leute, denen Paulus die Botschaft von Jesus Christus sagen wollte. Dennoch sagte er ihnen die Botschaft.
Was würden wir heute für Heiligtümer und Altäre antreffen, wenn wir durch unsere Orte mit offenen Augen eine “Sightseeing”-Tour machen würden, auf denen die Menschen ihrem Gott oder ihren Göttern opferten. Das müssen ja keine Tempel oder Altäre sein. Oder wenigstens sähen sie anders aus. Auch heute in der Zeit der Corona-Pandemie gibt es genug davon. Denken sie nur einmal an die Verschwörungstheoretiker. Leider sind da auch manche Christen dabei.
Mit Sport und Fitness ist es ja zurzeit schwierig, aber sind wir nicht alle ein wenig, wie die Epikureer zu Zeit des Apostels Paulus, dass uns unser Leben von Glück und Genuss bestimmt sein sollte.
Und doch erleben wir sehr oft das Gegenteil – Schicksalsschläge, Krankheit, Not und auch Tod – gerade auch jetzt in der Corona-Pandemie. Da gibt es Menschen, mit denen hat man noch vor vier Wochen telefoniert und jetzt sind sie schwerstkrank oder sogar gestorben. Oder wir haben selbst eine Corona-Erkrankung hinter uns.
Und jetzt hören wir diese Worte des Apostel Paulus an die Menschen von Rom über Gott: “Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was in ihr ist. Er ist der Herr über Himmel und Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand errichtet wurden. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von Menschen versorgt zu werden. Er selbst gibt uns das Leben, die Luft zum Atmen und alles, was wir zum Leben brauchen.”
Kann man das in so einer Situation, in der wir uns befinden, glauben? Kann man das zu Zeiten der Corona-Pandemie glauben?
Da tritt einer auf und spricht von der Souveränität Gottes. Er spricht davon, dass Gott alles in dieser Welt so herrlich geschaffen hat. Und in Klammern auch den Corona-Virus und ich höre schon den Aufschrei und er ist selbst in mir: “Das kann doch nicht sein.” – Dennoch ist er der Gott, wir Menschen in unserem tiefsten Herzen alle suchen, auch die, die da sagen: “Es gibt keinen Gott!” Denn in uns allen steckt die Sehnsucht nach dem Göttlichen, nach dem Religiösen. Auch bei den Atheisten ist es so, selbst wenn sie es verneinen.
Gerade dazu hatte die Bertelsmann-Stiftung erst vor kurzen in Deutschland eine Umfrage machen lassen. Und das Ergebnis ist, so sagt der Insa-Chef Hermann Binkert: „Gottesglaube und Kirchenzugehörigkeit gehören nicht mehr zwingend zusammen. Die eher kirchenferne junge Generation ist gläubiger als die älteren Altersgruppen, die noch einer Kirche angehören und getauft sind.”
Auch gerade jetzt in dieser Zeit der Corona-Pandemie suchen wir Menschen einen Halt. Und wir such diesen Halt im Glauben an Gott. Die Uni Münster hat im vorigen Jahr im Sommer eine Umfrage über die Auswirkungen des Glaubens in der Corona-Pandemie gemacht. Dabei haben 50% der Befragten angegeben, dass Glaube ihnen Trost, Hoffnung und Kraft gibt. Bei einem Drittel der Befragten ist in dieser Zeit der Glaube stärker geworden.
Genau darum ist es doch so wichtig, dass wir uns das heute bewusst machen, dass Gott derjenige ist, der die Erde gemacht hat. Er ist auch derjenige, der uns gemacht hat. Und letztlich er derjenige, der verantwortlich ist.
Für den Apostel Paulus gibt es einen Zeitpunkt -griechisch Kairos – an dem dieser unbekannte Gott sich offenbart hat und den Menschen zu erkennen gegeben hat. Und er ist nicht nur in der Schöpfung zu spüren oder eine menschliche Ahnung. Dieser Zeitpunkt ist die Offenbarung Gottes in Jesus Christus durch Karfreitag und Ostern. Paulus nennt zwar Jesus hier nicht beim Namen, aber die Menschen wissen, worum es ihm hier geht.
Das wars dann auch. Jetzt hatten die Leute genug gehört. Danke Paulus, du kannst gehen – Misserfolg auf der ganzen Linie. Nun nicht ganz, es gab doch noch ein paar, die seinen Worten glaubten und zwei werden sogar mit Namen genannt.
Wie sieht das heute bei uns aus? Sagen wir auch: “Danke Paulus, du kannst gehen!” Oder lassen wir die Worte des Apostels bei uns wirken.!
Was bedeutet das, wenn wir letzteres tun?
Es bedeutet, dass wir um unser Leben keine Angst haben müssen, auch jetzt in dieser Zeit der Corona-Pandemie nicht. Gott, der uns alle gemacht hat, kennt unsere Bedürfnisse und auch unsere Ängste. Er spricht zu uns und mit uns. Und vor allem ist jeder Tag schon in Gottes Buch geschrieben, bevor er wird. Unser Leben liegt in Gottes Hand.
Wir müssen keine Angst um die Zukunft haben. Gott kennt sie. Gott, der der Schöpfer von Zeit und Raum und des Universums ist, existiert außerhalb der Zeit. Er nennt seinen Namen „ICH BIN, der ich sein werde“, weil Gott war und ist und sein wird. Und da er außerhalb unserer Grenzen existiert, weiß Gott bereits, was sein wird, weil Gott es gesehen hat.
Für Christen gilt, was Paulus an die Christen in Rom schreibt:
8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
Römer 14,8 LU
Christsein bedeutet nicht, dass man frei ist von Angst, Not, Schicksalsschlägen, Krankheiten, Corona-Pandemie und Tod, auch nicht frei von schlimmem Tod. Doch es bedeutet eine Hoffnung zu haben, durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten auf das ewige Leben mit und bei Gott. Diese Hoffnung trägt und gibt Kraft und Mut zum Leben im heute. Und dann ist uns dieser Gott nicht mehr unbekannt, sondern Lebenskraft.
Amen