Predigt zu Sonntag Misericordias Domini 2021 – Hesekiel 34,1-16.31
Liebe Gemeinde,
haben Sie nicht auch den Eindruck, dass es mit der Corona-Politik in unserem Land an mancher Stelle hoch und runter geht und unsere Politiker selbst nicht mehr so richtig wissen, was sie tun sollen. Sie schieben sich den schwarzen Peter der Verantwortung hin und her. Vielleicht hat das auch etwas mit den vor uns liegenden Bundestagswahlen im September zu tun. Doch das ist völlig unangebracht. Gerade in dieser Phase der Corona-Krise brauchen die Menschen in unserem Land Politiker, die klare Verantwortung übernehmen. Sie können auch in dieser Situation Fehler machen.
Das gehört zum Menschsein dazu. Zumal so etwas, wie die Corona-Pandemie noch nicht da war, aber die Menschen brauchen Führung. Sie brauchen Hirten, um es einmal bildlich auszudrücken.
Sonst ist es so, wie es der Prophet Hesekiel sagt:
1 Das Wort des Herrn kam zu mir:
Hesekiel 34,1-16.31 BasisBibel
2 Du Mensch, rede als Prophet zu den Hirten von Israel. Ja, rede als Prophet und sag zu ihnen, den Hirten: So spricht Gott, der Herr! Ihr Hirten von Israel, ihr weidet euch ja selbst. Weiden Hirten sonst nicht die Schafe?
3Ihr aber esst das Fett und macht euch Kleider aus der Wolle. Doch ihr weidet die Schafe nicht!
4 Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und die Kranken nicht geheilt. Verletzte habt ihr nicht verbunden und verirrte Schafe nicht eingefangen. Schafe, die sich verlaufen haben, habt ihr nicht gesucht. Mit Stärke und Gewalt wolltet ihr sie beherrschen.
5 Sie haben sich zerstreut, weil kein Hirte da war, und wurden zum Fraß für alle Raubtiere. Ja, so haben sie sich zerstreut.
6 Meine Schafe verirrten sich in den Bergen und zwischen den hohen Hügeln. Über das ganze Land sind meine Schafe verstreut. Doch niemand fragt nach ihnen und niemand sucht sie.
7 Darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn:
8 Bei meinem Leben! – Ausspruch von Gott, dem Herrn – Meine Schafe sind zu Beute geworden und meine Herde zum Fraß für die Raubtiere. Es war ja kein Hirte da! Meine Hirten kümmerten sich nicht um meine Schafe, sondern weideten sich lieber selbst. Nein, meine Schafe weideten sie nicht.
9 Darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn:
10 So spricht Gott, der Herr! Ich gehe gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich sorge dafür, dass sie nie wieder Schafe weiden. Auch sich selbst werden die Hirten nicht mehr weiden. Ich befreie meine Schafe aus ihrem Rachen. Sie werden ihnen nicht mehr als Nahrung dienen.
11 Ja, so spricht Gott, der Herr: Seht her, ich werde meine Schafe suchen und mich selbst um sie kümmern.
12 Ich mache es genauso wie ein guter Hirte, wenn seine Schafe sich eines Tages zerstreuen. Ja, so werde ich mich um meine Schafe kümmern. Ich rette sie von allen Orten, an die sie zerstreut waren –an dem Tag, der voll finsterer Wolken sein wird.
13 Ich führe sie weg von den Völkern und sammle sie aus den Ländern. Ich bringe sie zurück in ihr eigenes Land. Ich werde sie auf den Bergen und Tälern Israels weiden, an allen Weideplätzen des Landes.
14 Ihr Weideland wird auf den hohen Bergen Israels liegen. Ja, ich lasse sie dort auf gutem Weideland lagern. Auf den Bergen Israels finden sie eine grüne Weide.
15 Ich weide meine Schafe und ich lasse sie lagern.– So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.
16 Verirrte suche ich und Verstreute sammle ich wieder ein. Verletzte verbinde ich und Kranke mache ich stark. Fette und Starke aber vernichte ich. Ich weide sie nach Recht und Gesetz.
31 Ihr seid meine Herde! Ihr Menschen, ihr seid die Herde auf meiner Weide, und ich bin euer Gott!– So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.
Noch ist es nicht passiert – die Wegführung der Oberschicht des Volkes Israel, der religiösen und wirtschaftlichen Führer und der Politiker des Volkes in die Babylonische Gefangenschaft, sowie eines großen Teiles des Volkes Israel. Der Prophet warnt die Führer des Volkes noch einmal im Namen Gottes, denn mit dem Hirtesein war es nicht weit her.
Der Prophet mahnt die Führer und liest ihnen die Leviten. Er sagt, was Gott von ihnen hält. Das Hirtesein der Obersten war eine totale Katastrophe. Statt sich um das Wohlergehen des Volkes zu sorgen, werden egoistische Ziele verfolgt. Nun das haben wir ja auch in den vergangenen Wochen bei manchem Politiker in unserem Land erlebt.
Die Obersten in Israel kümmern sich nur um sich selbst. Der Arme wird ärmer und der Reiche wird reicher. Die Armen werden ausgesaugt und für das Gemeinwohl wird nicht gesorgt. Leider ist das auch eine Erfahrung der Corona-Pandemie.
Gerade in der Corona-Pandemie stehen unsere Politiker und auch andere, in einer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung. Das fordert viel von ihnen. Und vielleicht überfordert es sie auch. Dann kann es eben auch mal vorkommen, dass man eigentlich in einer verantwortlichen Stelle abschaltet, wie unser Ministerpräsident und stattdessen am Smartphone spielt. Unsere Politiker sind in dieser Zeit in ihrem Hirtesein in besonderer Weise gefordert. Und manche machen es ihnen nicht leicht, so manche Verschwörungstheoretiker. Ein gewisses politisches Korrektiv ist nötig, das wissen wir auch. Doch wenn Menschen verunglimpft werden, dann ist der Bogen überspannt. Darum ist unser Gebet gerade auch für unsere Politiker nötig.
Nun geht es heute nicht nur um das politische und gesellschaftliche Hirtesein, sondern gerade um ein geistliches Hirtesein, ein Hirtesein im Glauben. Gerade auch die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie nötig es ist. Es gab ja manchen, der der Kirche (was auch immer er darunter versteht) an dieser Stelle Versagen vorwirft. Dem möchte ich aber widersprechen. Sicher einzelne sind auch mit der Situation nicht klar gekommen, aber ich weiß um die vielen, die sich gerade jetzt in besonderer Weise engagieren, mit vielen Ideen und Versuchen den Menschen zu begegnen. Die Kirche ist hier nämlich nicht zuerst die EKD oder die EKM, sondern die Gemeinde mit ihren Mitarbeitern vorort. Es gibt viele kleine Hirten, die hier Hilfe und Trost sind in dieser Zeit.
Natürlich sind wir Pfarrer und Pfarrerinnen zuerst angesprochen, Gottes Wort den Menschen nahe zu bringen. Kraft und Stärkung durch die Predigt, Trost und Beistand in den schweren Lebenslagen. Aber gerade in dieser Zeit wird deutlich, dass wir uns gegenseitig Hirte sein können und wir tun es auch! Ein Telefonanruf, ein Gespräch über den Gartenzaun, ein Einkauf, eine kleine Karte mit einem Mutmachwort. Die kleinste Form und doch die größte Form des Hirteseins ist für den anderen beten. Es ändert auch unser Verhältnis zum anderen. Wir sehen ihn aus einem anderen Blickwinkel. Den Nächsten bringen wir im Gebet vor Gott, damit er an und im anderen wirkt.
Im Hirtesein werden auch wir versagen. Wir werden Fehler machen. Dennoch sollten wir es tun. Bei allem menschlichen Versagen unseres Hirteseins dürfen wir wissen, Gott will und wird immer unser Hirte sein. Er spricht:
„Ich selbst werde ihr Hirte sein, damit sie in Ruhe und Sicherheit leben können. Das verspreche ich, der Herr.
(Hes 34,15.31 (HfA))
Ja, ihr seid meine Herde, und ich bin der Herr, euer Gott; ich führe euch auf gute Weide. Darauf könnt ihr euch verlassen!«
Genau das hat Gott in Jesus Christus vollkommen gemacht. Jesus Christus, der gute Hirte, ließ sein Leben für die Schafe. Er opferte es für uns am Kreuz auf Golgatha.
Darum: auch wenn wir in unserem Hirtesein im Kleinen oder im Großen versagen. Bei Jesus Christus haben wir eine neue Chance. Denn er will unser guter Hirte sein.
Amen.