Materialsammlung zu Ester 1,1-22
„Eine Frage der Ehre“ – Sprechmotette
I. Prolog – Bühne Susa
Hofberichterstatter:in (ruhig, tragend):
In jenen Tagen … Susa, die Zitadelle.
Ein Reich von Hodu bis Kusch: 127 Provinzen.
(beat)
Prunk. Pracht. Provinzen. Macht.
Eunuch/Herold (zählt):
Fürsten, Heerführer, Magnaten – versammelt!
Alle (gestaffelt, steigernd):
Seide – Purpur – Byssus – Goldbecher – Marmor –
(Alle im Unisono, kurz:) Wein.
Hofberichterstatter:in:
Hundertachtzig Tage zeigt der König seine Herrlichkeit.
Dann sieben Tage für alle, vom Großen bis zum Kleinen. (Eunuch: vom Großen bis zum Kleinen)
II. „Gesetz ohne Zwang?“
Eunuch/Herold (sachlich):
Es wird getrunken nach Vorschrift – und doch ohne Zwang.
Alle (kurz, scharf, nacheinander):
Vorschrift. – Freiheit. – Vorschrift. – Freiheit. – (Echo Hofberichterstatter : Freiheit?)
III. Der Befehl
Ahasverosch (gelöst, weinfröhlich, aber schneidend):
Bringt Waschti! Mit der königlichen Krone!
Ich will ihre Schönheit zeigen – vor Fürsten und Völkern!
Eunuch/Herold (zählt, rasch):
Sieben Eunuchen eilen!
Hofberichterstatter:in (knapp):
Ein Wort des Königs. Ein Weg durch Türen. Ein Blickbefehl.
IV. Die Grenze
Waschti (sehr ruhig, innerer Gedanke, nach vorn):
Nicht heute.
Nicht vor betrunkenen Blicken.
Würde ist kein Schaulaufen.
(beat)
Nein.
Hofberichterstatter:in (leise):
Und der König ergrimmt.
Der Wein wird zu Zorn.
Alle (flüsternd, mehrfach):
Zorn … Zorn … (Echo Memuchan: Zorn wird Gesetz.)
V. Die Beratung
Hofberichterstatter:in:
Die Weisen, Kenner der Zeiten, werden gerufen.
Memuchan (breit, politisch, mit Druck):
Nicht gegen dich allein, o König,
hat Waschti gefrevelt,
sondern gegen alle – Fürsten und Völker!
Heute schon werden die Fürstinnen sagen:
„Wenn die Königin nein sagt …“ –
(steigern)
Verachtung! Aufruhr! Unordnung!
Eunuch/Herold (hart, taktierend):
Ein Edikt!
Unwiderruflich – in alle Sprachen – in alle Provinzen!
Ahasverosch (kurz, zustimmend):
Es gefällt.
VI. Das Wort wird Gesetz
Eunuch/Herold (verkündet im „Ausrufer“-Ton):
Waschti trete nicht mehr vor den König!
Ihre Würde werde einer Besseren gegeben!
Und: Jeder Mann sei Herr in seinem Haus –
und rede in der Sprache seines Volkes!
Alle (trocken, im Takt, wie Stempel):
Gesetz. – Gesetz. – Gesetz. – (Echo Hofberichterstatter: Gerechtigkeit?)
VII. Spiegelfrage
Hofberichterstatter:in (an das Publikum / die Gemeinde):
Kann Ehre per Edikt gesichert werden?
Waschti (leise, standhaft):
Würde kennt ein Nein.
Memuchan (scharf, dann abfallend):
Angst macht Regeln.
Ahasverosch (kurz, nach innen):
Macht liebt Beifall.
Eunuch/Herold (sachlich):
Das Reich hat gehört.
Alle (langsam, gemeinsam):
Vom Feiern zum Fürchten.
(beat)
Und Gott? – Verborgen.
(halbe Pause)
Doch sein Wirken findet Wege.
Coda (leise, zuhörend)
Hofberichterstatter:in (schließt, freundlich):
Hier endet der Anfang.
Die Bühne steht.
Ester wird kommen.
Segensgebet
Gott, der verborgen wirkt und dennoch unsere Wege lenkt,
segne dich mit Mut, auch dann Nein zu sagen, wenn es richtig ist.
Er erfülle dich mit Würde, die kein Mensch dir nehmen kann.
Er schenke dir Vertrauen, dass er seine Geschichte auch mit dir schreibt.
So segne und behüte dich der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.