Vielleicht wird mancher jetzt den Kopf schütteln und sagen, dass ich es jetzt übertreibe, so ein Analysemodel aus der Wirtschaft in der christlichen Gemeinde einzusetzen. Es ist so als wenn ich Äpfel mit Birnen vergleiche. Zugegeben an der Kritik ist was richtiges dran. Man kann vieles nicht einfach eins zu eins umsetzen. Gerade hier bei dem Boston-Portfolio geht es um effektive Gewinnmaximierung in einem Unternehmen: Wie und wann ein Unternehmen den besten Gewinn bei seinen Produkten und in seinen Geschäftsfeldern erzielt? Und dennoch wirft das Boston-Portfolio manche Fragestellung auf, die uns als Gemeinde mit unseren Angeboten hinterfragt. Ich habe schon Kritik erfahren, weil ich behauptet habe, dass 50% aller Gemeindeangebote „Poor Dogs“ sind. Nun froh wäre ich, wenn man meine Behauptung widerlegen würde.
Aber nun erst einmal, was ist das Boston-Portfolio? Es ist ein wirtschaftsmathematisches Analysemodel. Dieses wurde von der Boston Consulting Group entwickelt. Es soll den Zusammenhang zwischen dem Lebenszyklus eines Produktes und der Kostenerfahrungskurve darstellen. Jedes Produkt eines Unternehmens hat einen gewissen Produktlebenszyklus. Es hat eine Zeit des Wachstums, der Reife, der Sättigung und des Rückgangs. Beim Boston-Portfolio wird das mit einer Vier-Feldermatrix und einem Streu- und Blasendiagramm dargestellt. Dabei werden Marktwachstum und relativer Marktanteil ins Verhältnis gesetzt. Und die Umsätze der Produkte werden als Blasen bzw. Kreis dargestellt.
Die vier Bereiche des Boston-Portfolio im Einzelnen:
Im Ganzen bewegen sich die Produkte und Geschäftsfelder eines Unternehmens in vier Bereichen. Dabei ist der normales Lebenszyklus eines Produktes sich vom Fragezeichen über Star und Cash Cow zum Poor Dogs bewegt. Aber manche Produkte landen auch gleich vom Fragezeichen im Poor Dogs.
Fragezeichen
sind die Nachwuchsprodukte. Sie haben ein hohes Wachstumspotenzial, aber einen geringen Marktanteil. Sie brauchen noch hohe Investitionen, die sie noch nicht selber erwirtschaften können. Das Ziel ist die Entwicklung zu Stars.
Stars
sind die Sterne des Unternehmens. Sie haben einen hohen Marktanteil und ein hohes Marktwachstum. Damit sind sozusagen die Werbeträger, bringen schon viel Geld, brauchen aber dennoch viele Investitionen.
Cash Cows (Melkkühe)
haben einen hohen relativen Marktanteil. Doch ihr Marktwachstum ist nur noch gering. Sie bringen viel Geld ohne nennenswerte Investitionen. Darum müssen sie effektiv abgeschöpft werden. Sie dienen dazu um neue Fragezeichen zu finanzieren. Hier heißt es, die Position halten und den Ertrag abschöpfen.
Poor Dogs
sind die Produkte, die in einem Unternehmen auslaufen. Sie haben nur noch einen geringen Marktanteil und kaum noch Marktwachstum, werden also bald vom Markt genommen.
So weit erst einmal ein kleiner Überblick über das Boston-Portfolio. Sicher ist es hier nicht ausreichend beleuchtet. Aber das Prinzip ist doch so dargestellt, dass ich denke, dass es verständlich ist, woraus ich hinaus will.
Gemeindeanalyse
Eine Gemeinde zu analysieren kann richtig weh tun? Denn dann kann man manchmal Dinge aufdecken, die einem zwar lieb sind, die aber die Gemeinde selber nicht mehr vorwärts bringen, und von daher aufgegeben werden sollten. Und wer sich anhand der Anforderungen des Boston-Portfolios einmal sein Gemeindeprogramm ansieht, wird manche Frage stellen müssen, die ihn zum Nachdenken bringt.
Sicher lässt sich das Gemeindeprogramm nicht so einfach in ein wirtschaftsmathematisches Model mit Matrix und Blasendiagramm einrechnen. Aber Fragen nach Kosten, Gemeindegliederbesuch, Wachstum und Niedergang, Aufwand, Werbung sollten schon einmal richtig intensiv gestellt und nach Möglichkeit auch durchgerechnet werden. Wann ist ein Gemeindekreis zu Ende? Oder muss er, weil er immer schon war, auch weitere Jahrzehnte durchgehalten werden? Und wer zu sich und zu seinen Gemeindegliedern ehrlich ist, wird manche „heilige Kuh“ schlachten müssen. Doch nicht nur das und das ist die Gute Nachricht der Gemeindeanalyse. Es wird auch Offenheit und Chancen geben für Neues. So wie ein Unternehmen sich mit seinem Produkt dem Markt, müssen auch wir uns mit unseren Angeboten, aber nicht! mit der Botschaft, den Menschen unserer Zeit anpassen. Wir wollen doch als Christen nicht mit unseren Angeboten „Poor Dogs“ sein, also Auslaufmodelle.
Einwand
Nun höre ich auch den Einwand, aber Jesus gab doch nicht so schnell auf. Er ging doch jedem einzelnen nach, wie können wir da Kreise aufgeben, wo noch einer oder zwei kommen?
Nun das sind zwei verschiedene Schuhe. Wenn Jesus sagt, dass wir den Einzelnen nicht aufgeben sollen, ist das sein Gebot für die Einzelseelsorge. Wir sollen uns um den Einzelnen mühen, wie der Hirte sich um sein verlorenes Schaf bemüht hat. Aber hier ist es die Frage nach dem Gesamtprogramm der Gemeinde.
Um des Evangeliums und der Menschen willen, lassen wir uns als Gemeinde mit unserem Programmen und Angeboten in Frage stellen, auch wenn es uns manchmal nicht gefällt. Aber überall liegt die Chance zu Neuem. Dazu möchte ich Mut machen.