Da stellt sich uns die Frage, in welchen Verhältnis stehen die Kirche und die »Gemeinde der Heiligen« zueinander? Das beistehende Bild aus der Mengenlehre soll uns das aufzeichnen. Die »Gemeinde der Heiligen« ist zum großem Teil Bestandteil der Kirche. Aber es findet sich auch ein Teil der »Gemeinde der Heiligen" außerhalb oder am Rand der Kirche. Eins wir uns schon an diesem Bild deutlich: Kirche ist nicht die »Gemeinde der Heiligen«. Sie könnte im Idealfall die Gemeinde der Heiligen umfassen.
Das zweite Bild zeigt, dass die »Gemeinde der Heiligen« sich auch aus der Kirche herausbewegen kann. Das kann viele Ursachen haben.
Ob die Ursachen immer an der Stelle berechtigt sind, ist eine andere Frage, die man sicher nicht immer mit Ja oder Nein beantworten kann. Aber man muß die Symptome ernst nehmen.
Die erste Ursache ist, dass Christen und Christinnen meinen oder/und spüren, in der Kirche verliert die Wirkkraft des Evangeliums an Kraft und Bedeutung.
Das zweite Ursache ist, dass sie sich nicht genügend vertreten oder repräsentiert in der Organisation Kirche meinen. Vielleicht weil sie keinen Pfarrer oder Pastorin haben, der ihnen geistliche Leitung und Führung gibt.
Warum ist das so? " Das Gemeindeleben vollzieht sich in face-to-face-Relationen, also in persönlichen Kontakten, die in Einzelgesprächen und durch Gruppenbildung zustande kommen und häufig, aber nicht immer um die Person des Pfarrers / der Pfarrerin zentriert sind. Weil die Organisation (= Kirche als Vereinigung) das den Beteiligten nicht im Augenblick noch abnimmt, spielen dabei finanzielle Fragen enur in Ausnahmefällen etwa bei angedrohten Kirchenaustritt, eine Rolle. In der Regel erfolgt der Austausch hier in Form von Streicheleinheiten. Alle, die am Gemeindeleben regelmäßig partizipieren, liefern einander Bestätigungen in Form von personaler Zuwendung und sozialer Anerkennung. Viele Menschen, die gesellschaftlich isoliert leben, finden auf diese Weise Geborgenheit und sozialen Halt." (Josuttis S.35)
Darum ist für die Kirche als Organisation zur Zeit die »Gemeinde der Heiligen« noch nicht so relevant. Aber das wird sich in absehbarer Zeit ändern, denn gerade die »Gemeinde der Heiligen« wird oder ist der größte Geldgeber in der Kirche. Daher wird sich die Kirche um sie mühen müssen, und darf diese nicht mehr so stiefmütterlich behandeln. Findet die »Gemeinde der Heiligen« keinen Halt und keine Anerkennung in der Kirche (als Organisation) bewegt sie sich aus der Kirche heraus.
Daher kann die Volkskirche "mit ihrer perfekten Organisation und in ihrem mehr oder weniger attraktiven Milieu »Gemeinde der Heiligen« nur werden, wenn in ihrer Mitte die Macht Gottes zur Wirkung kommt." (Josuttis, S.37)
Literatur: Manfred Josuttis "Unsere Volkskirche und die Gemeinde der Heiligen" – Erinnerungen an die Zukunft der Kirche Chr. Kaiser Gütersloher Verlagshaus ISBN 3-579-02083-8