
Der Sommer 1540 ging in die europäische Geschichte ein. Elf Monate lang fiel kaum Regen, Flüsse trockneten aus, Ernten verdarben. Zeitgenossen berichteten von Temperaturen über 40 Grad. In Lindau am Bodensee war das Wasser so niedrig, dass man die Stadt zu Fuß umrunden konnte. In vielen Regionen brach eine Hungersnot aus, und bald auch die Pest.
Auch Martin Luther erlebte diesen „Jahrtausendsommer“ – und er deutete ihn theologisch. Im Juli 1540 klagte er über die unerträgliche Hitze:
„Allhier solche Hitze und Dürre, dass unsäglich und unerträglich ist Tag und Nacht.“
Und er fügte hinzu:
„Komm, lieber jüngster Tag! Amen.“
Für Luther war das extreme Klima ein Zeichen dafür, dass die Welt nicht mehr lange bestehen könne. In seiner Schrift Supputatio annorum mundi (1541) errechnete er, dass die Welt nun 5500 Jahre alt sei – und deutete dies als Hinweis darauf, dass das Ende nahe sei. So wie Christus am dritten Tag nicht bis zum Ende im Grab blieb, sondern in der Mitte auferstand, so werde auch die Welt das sechste Jahrtausend nicht vollenden.
Am 5. November 1540 sprach Luther in einem Tischgespräch von einer bevorstehenden Pest oder einem großen Unglück. Dabei griff er ein Bild auf, das seine Zeitgenossen verstanden: Der außergewöhnlich gute Weinjahrgang jenes Jahres war für ihn ein „Valete-Trunk“ – ein Abschiedswein vor dem Gericht Gottes. „Bei dem lieben Gott, die Welt ist böse! Sie kann nicht länger bestehen; ich halt’s dafür, Gott gebe uns den Sommer den Valete-Trunk.“
Die Menschen im 16. Jahrhundert waren von dieser Endzeitstimmung erfasst. Dürren, Hunger und Seuchen wurden nicht als Zufälle verstanden, sondern als Strafen Gottes. Für Luther war der Sommer 1540 daher nicht nur ein Naturereignis, sondern ein Fingerzeig des Himmels.
Fazit
Der „Jahrtausendsommer“ von 1540 zeigt, wie eng Naturereignisse und Glaubensdeutungen zusammenhingen. Für Luther war die Hitze ein Menetekel: Gott selbst kündige das Ende der Zeit an. Heute wissen wir, dass es extreme Klimaphasen auch früher gab – und doch bleibt die Frage aktuell: Wie deuten wir Klimakrisen in unserer Zeit, und welche Verantwortung übernehmen wir?
Quellenverzeichnis
Primärquellen
- Luther, Martin: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, 2. Teil: Tischreden, Bd. 5. Weimar: Hermann Böhlau, 1919, S. 60, Nr. 5326 (5. November 1540).
- Luther, Martin: Supputatio annorum mundi. Wittenberg 1541, Bl. Aa 3 recto.
Sekundärliteratur
- Burmeister, Karl-Heinz: Der heiße Sommer 1540. In: Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Hg.), 2008.
- Pfister, Christian / Wanner, Heinz: Klima und Gesellschaft. Die letzten tausend Jahre. München: Beck, 2021.
- Wetter, Oliver et al.: The year-long unprecedented European heat and drought of 1540 – a worst case. In: Climatic Change 125 (2014), S. 349–363.
Zeitgenössische Chroniken
- Schnell’sche Chronik (16. Jh.): Bericht zur Dürre und zum sinkenden Pegel des Bodensees.
Online-Ressourcen
- Watson.ch: „Hitze, Dürre, Wassermangel: Als Europa im Sommer 1540 verglühte.“ https://www.watson.ch
- Digitalisat der Weimarer Ausgabe, Tischreden Bd. 5 (Internet Archive): https://archive.org/details/werketischreden10205luthuoft