Die Inkarnation Christi

Die Inkarnation Christi

Von den alttestamentlichen Voraussetzungen über die Alte Kirche bis zur Neuzeit – und ihre Bedeutung für uns heute

1. Einleitung: Das Zumutende am christlichen Glauben

Die Inkarnation Christi gehört zu den zentralsten und zugleich anstößigsten Aussagen des christlichen Glaubens. Dass Gott Mensch wird, widerspricht sowohl religiösen Erwartungen als auch philosophischen Denkgewohnheiten. Religion rechnet meist mit einem Gott, der fern, erhaben, unverfügbar ist. Philosophie denkt Gott als das Unveränderliche, Unbewegte, Reine.

Der christliche Glaube aber behauptet: Gott ist nicht auf Distanz geblieben. Gott ist nicht Zuschauer der Geschichte. Gott ist nicht nur Thema menschlicher Rede – Gott ist selbst Geschichte geworden.

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh 1,14). Diese Aussage ist keine poetische Metapher, sondern der Kern des Evangeliums. An ihr entscheidet sich, ob christlicher Glaube wirklich von Erlösung spricht – oder nur von religiöser Sinngebung.

Inkarnation meint dabei nicht allgemein „Gott ist dem Menschen nahe“, sondern sehr präzise: Der ewige Sohn Gottes, der Logos, ist in Jesus Christus wirklich Mensch geworden, ohne aufzuhören, Gott zu sein. Diese Spannung wird die Kirche durch ihre gesamte Geschichte hindurch begleiten.