Heilsgeschichtliche Bedeutung im Alten Testament, im Neuen Testament und in jüdischer Deutung (Targum/Talmud)

Einleitung
Wenn wir „Bethlehem“ hören, denken viele sofort an Krippe, Engel, Hirten. Aber bevor Bethlehem zur Weihnachtskulisse wurde, war es zunächst ein ganz konkreter Ort in Juda – klein, landwirtschaftlich geprägt, abseits der großen Verkehrsachsen – und zugleich ein Name, der schon für sich eine Deutung anbietet: „Haus des Brotes“. Diese Benennung ist keine fromme Nach-Erfindung, sondern liegt tatsächlich im hebräischen Wortmaterial. Und genau hier beginnt die heilsgeschichtliche Spur: Gott bindet große Verheißung gern an kleine Orte – und er legt Bedeutung in Namen, die später „aufgehen“ wie ein Same.
1. Der Name: Hebräisch, Griechisch – und was man seriös sagen kann
Der Ortsname lautet im Hebräischen בֵּית לֶחֶם (bêt læḥæm). Das ist eine Konstruktion aus zwei Wörtern: בֵּית (bêt) = Haus (von) und לֶחֶם (leḥem) = Brot oder Nahrung. Zusammen ergibt das: „Haus des Brotes“. Diese Deutung ist sprachlich die nächstliegende, auch wenn eine alternative Etymologie („Haus des Kampfes“) diskutiert wurde. In der Septuaginta und im Neuen Testament wird Bethlehem nicht übersetzt, sondern als Βηθλεεμ / Βαιθλεεμ transkribiert.
2. Bethlehem im Alten Testament: „Brot-Ort“ – und doch Ort der Not
Bethlehem liegt südlich von Jerusalem auf einem Höhenrücken. Der Ort gilt als fruchtbar, hat aber keine eigene Wasserquelle. Diese Spannung ist theologisch bedeutsam: das ‚Haus des Brotes‘ ist kein Ort automatischer Fülle. In Rut 1 herrscht Hungersnot in Bethlehem – das zeigt, dass Nahrung Gabe Gottes bleibt. Bethlehem ist außerdem Davids Heimat und wird so zur Chiffre für das davidische Königtum und die messianische Zukunft.
3. Die Verheißung
Micha 5,1 (5,2) betont die Kleinheit Bethlehems – und gerade daraus erwächst die göttliche Verheißung: Aus dem Unscheinbaren kommt der künftige Herrscher. Das ist das Grundmuster der Heilsgeschichte: Gott wählt das Kleine, um Großes zu wirken. „Haus des Brotes“ wird damit zum Symbol für göttliche Versorgung und Erwählung.
4. Neues Testament
Matthäus 2 verknüpft Bethlehem ausdrücklich mit der Schrift und der Erwartung des Messias. Lukas legt den Schwerpunkt auf die davidische Herkunft, während Johannes 7,41–42 den öffentlichen Streit um die Herkunft Jesu dokumentiert. Bethlehem wird so zum theologischen Ort der Messias-Frage: Verheißung, Erfüllung und Anstoß zugleich.
5. „Haus des Brotes“ und Jesus
Das Neue Testament deutet Jesus als das ‚Brot des Lebens‘ (Joh 6,35). Im Licht dieser Selbstdeutung wird Bethlehem als ‚Haus des Brotes‘ zu einem sprechenden Symbol: Gott schenkt nicht nur Brot, sondern sich selbst. Die Geburt Jesu im „Haus des Brotes“ wird so zum Zeichen der göttlichen Selbsthingabe.
6. Jüdische Deutung (Targum und Talmud)
Der Targum zu Micha 5,1 identifiziert den angekündigten Herrscher ausdrücklich als den Messias. Im Palästinischen Talmud (Berakhot 2:4) heißt es, dass der Messias bei der Tempelzerstörung in Bethlehem geboren wurde. So wird Bethlehem auch in der rabbinischen Tradition zum Ort der Hoffnung – Gottes Zukunft beginnt, während alles verloren scheint.
7. Zusammenfassung
Bethlehem ist der Ort, an dem Gott zeigt: Nahrung, Königtum und Hoffnung kommen nicht aus Macht, sondern aus Verheißung. Für Christen verdichtet sich dies in Jesus Christus: Er, der im „Haus des Brotes“ geboren wird, ist das Brot des Lebens für die Welt.
Quellen und Literaturhinweise (Endnoten)
- WiBiLex, Artikel „Bethlehem“, Deutsche Bibelgesellschaft (https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/).
- WiBiLex, Artikel „Efrata/Efrat“, Deutsche Bibelgesellschaft.
- Blue Letter Bible, LXX Micah 5,2 – griechischer Text.
- BibleHub, Griechischer Text zu Mt 2,1.
- BDB (Brown-Driver-Briggs), Lexikon zu בֵּית לֶחֶם und לֶחֶם.
- Targum Jonathan zu Micha 5,1 (messianische Deutung).
- Palästinischer Talmud, Berakhot 2:4 – Messias in Bethlehem geboren.
