Es wird nur mit Wasser gekocht

(c) sxc.hu/rubenshito
(c) sxc.hu/rubenshito

Das wird in allem, was in der Gemeinde passiert, deutlich. Zum ersten ist die Gemeinde der Ort, wo sich ehrenamtlich betätigen. Es sind Menschen, die bereit sind sich einzusetzen, mit ihren Gaben und Fähigkeiten, aber auch mit ihrem Unvermögen, die erst einmal kommen und sagen: „ Ich möchte etwas tun.“ Es sind keine Profis, keine Experten, selten jemand, der eine passende Ausbildung hat. Manchmal kann das sicher frustrierend sein, wenn es dadurch irgendwie nicht vorwärts geht, wenn die Qualität der Arbeit nicht stimmt. Wenn man mehr in das hineinlegen muss jemanden anzuleiten, als wenn man es selber getan hätte.

Manchmal erlebt man Gemeinden, die sich einbilden sie seien etwas Besonderes. Auch in der Bibel gab es das ja schon. Da bilden sie sich etwas auf ihre Kultur ein, ihre Geschichte, ihr Geldvermögen und Spendenfreudigkeit, die Zahl der Mitarbeiter oder die Besucherzahl im Gottesdienst. Das hindert manchmal sehr in der Gemeindearbeit vorwärts zu kommen. Denn oft will man auf dem Bestehenden stehen bleiben und sich nicht weiter bewegen.

Es besteht keine Gefahr überheblich zu werden

(c) sxc.hu/kwod
(c) sxc.hu/kwod

In einer kleinen Gemeinde erfahre ich als Pfarrer in der Begegnung mit den Menschen normalerweise genügend Schwierigkeiten, um nicht im Dienst überheblich zu werden. Sollte ich wirklich einmal auf einem hohen Thron sitzen, werde ich sicher bald wieder heruntergeholt. Sicher begegnen mir Gemeindeglieder, die mich sehr hochachtungsvoll als „Herrn Pfarrer“ ansehen, aber mindestens genauso viel sprechen mich mit „Ey Pfarrer“ an. Viele sprechen mir ihre Wertschätzung aus, aber für manche bin ich auch nur der Dienstleister, der seinen Job zu machen hat. Denn dafür ist er ja schließlich da.

Die Gemeinde ist weit entfernt nach meinen Vorstellung leben und an meinen Lippen zu hängen. Da ziehen in meiner Gemeinde genügend andere in andere Richtungen. Normalerweise gibt in der kleinen Gemeinde nicht die absolute Macht des Pfarrers.

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde kann Sie „faul“ machen

(c) sxc.hu/pontuse
(c) sxc.hu/pontuse

Damit meine ich nicht, dass man als Pfarrer in erster Linie arbeitsmäßig faul ist. Sicher man kann, wenn man will, als Pfarrer 24 Stunden am Tag arbeiten. Unsere wachsenden Gemeindegebiete fordern uns Pfarrer immer mehr heraus, dass man manchmal gar nicht weiß, was man zu erst tun soll. Doch das kann genau zu einer Lähmung führen. Wenn man nicht mehr weiß, was man zu erst tun soll, macht man gar nichts mehr. Das kann sogar soweit gehen, dass am Ende die Arbeit in der anderen Gemeinde zum Alibi wird, um in der einen Gemeinde etwas nicht zu tun. Überforderung kann zur Lähmung führen.

Worum es mir eigentlich geht, ist, dass man beim Dienst in einer kleinen Gemeinde theologisch faul wird. Für den normalen Dienst in der Gemeinde muss ich doch mein Gehirn nicht strapazieren. Schließlich stehe ich doch theologisch über den Gemeindegliedern und kann aus dem Fundus meines Studiums viele Jahre und Jahrzehnte schöpfen. Selbst den Laientheologen der Gemeinde bin ich noch lange überlegen. Sind denn in einer kleinen Gemeinde überhaupt hohe theologische Standards gefragt? Geht es nicht hier vielmehr um Beziehung, um Miteinander und um Gemeinschaft?

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde macht aus Mücken Elefanten

(c) sxc.hu/Bubbels
(c) sxc.hu/Bubbels

In vielen evangelischen Gemeinden gab es früher das Patronat. In den meisten Gemeinden ist das mittlerweile abgelöst. Obwohl sich das manche ostdeutsche Kirchengemeinde, wenn es um die Erhaltung ihrer Kirchengebäude ging, wieder wünschte. So ein Patronatsherr hatte großes Mitspracherecht im Gemeindeleben, bei der Besetzung der Pfarrstellen. Er hatte in der Kirche seinen besonderen Platz. In der Gemeinde war er privilegiert. Ohne ihn lief nichts. Auch der Pfarrer brauchte schon sein Wohlgefallen, damit er richtig wirken konnte.

Das gibt es aber kaum noch. Doch sie sind geblieben: Menschen, die in der Gemeinde das Sagen haben, ohne die in der Gemeinde nichts läuft. Dabei müssen, die nicht einmal in dem Gemeindekirchenrat oder einem anderen Gremium der Gemeinde sitzen. Sie sind die heimlichen Bestimmer in der Gemeinde, nach denen sich die meisten Gemeindeglieder richten. Hat man als Pfarrer bei seinem Dienst deren Wohlgefallen, so hat man meist das Wohlgefallen der ganzen Gemeinde. Hat man deren Missfallen, so stellen sich die Wenigsten der Gemeindeglieder auf die Seite des Pfarrers. Sie sind es, die mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ das Leben der Gemeinde und den Dienst des Pfarrers bestimmen.

Die Verletzungen im Dienst in einer kleinen Gemeinde sind von Freunden

(c) sxc.hu/gabetarian
(c) sxc.hu/gabetarian

Wenn man als Pfarrer neu in eine Gemeinde kommt, wird man in der Regel von den meisten Leuten freundlich empfangen und aufgenommen. Jeder möchte erst einmal mehr oder weniger ein guter Freund sein. Hat man in der Gemeinde eine relativ lange Vakanzzeit hinter sich, ist die Gemeinde erst einmal froh überhaupt einen Pfarrer zu haben.

Doch es ist wie bei der Liebe. Ist die Zeit des sich „Kennenlernens“ und des „Verliebtseins“ vorbei und der Alltag eingekehrt, erkennt man schnell seine gegenseitigen Fehler. Das ist normal. Dann kann gute konstruktive Kritik, in Liebe gesagt, einander vorwärts bringen. Schließlich gehört es ja zum Menschsein, auch bei einem Pfarrer dazu, dass man Fehler macht. Doch so liebevoll geht man in einer kleinen Gemeinde, auch wenn es das Gebot Jesu ist, nicht um.

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde verlangt, dass Sie immer wieder die selben Dinge tun

(c) sxc.hu/Ayla87
(c) sxc.hu/Ayla87

Vielleicht haben sie ihn auch? Einen großen Kreativitätskoffer voller Ideen für ihre Gemeinde und sie sind ein Pfarrer voller Leidenschaft und Energie. Wenn sie dann noch, wie ich ein begeisterter Mindmapper sind, dann wissen sie vielleicht gar nicht, wohin mit all den Ideen für ihre Gemeinde. Alle die wunderbaren Ideen, wie man die Gemeinde doch so richtig vorwärts bringen kann, wie man Menschen erreicht, wie eine Gemeinde so verändern kann, dass sie die Botschaft von Jesus Christus richtig in ihre aktuelle Kultur bringt, und noch vieles mehr. Doch dann steht dieser wunderbare Koffer mit den vielen Ideen und Projekten in der Ecke und ist regelrecht mit Spinnweben überzogen, weil davon in der Gemeinde nichts geht. Es lässt sich von diesen wunderbaren kreativen Ideen nichts so einfach umsetzen. Man kann nicht so einfach alles umwerfen und durch neues ersetzen, selbst wenn man noch so sehr das Vertrauen der Gemeinde hat.

Erst einmal bleibt alles gleich. Meine To-Do-Liste von Woche zu Woche wiederholt sich mit gewissen Abweichungen. Die Termine sind alle relativ festgelegt. Da sind die wöchentlichen Veranstaltungen, die festliegen und sich kaum verändern. Der Konfirmandenkurs, der zur Zeit in drei Gemeinden stattfindet, ohne dass man die Konfirmanden zusammenbringen kann. Als nicht feststehende Termine kommen die Kasualien und ähnliches dazu.

Und es ist doch meine Gemeinde!

(c) sxc.hu/spekulator
(c) sxc.hu/spekulator

Denn ich bin ein Teil von ihr. Ich bin, um es mit einem biblischen Bild zu sagen, ein Glied am Leib Christi. An der Gemeinde habe ich Anteil, wie ich an meiner Familie Anteil habe. Denn ich brauche die Menschen in der Gemeinde. Nicht nur ich bin für die Menschen da, sondern die Menschen sind genauso für mich da. Ich brauche sie zur Gemeinschaft, um mit ihnen zu reden, zu beten, Gottes Wort zu hören, zu essen und zu trinken. Ich brauche sie als Wegbegleiter. Als Pfarrer kann ich nicht immer nur ein „geistlicher Produzent“ sein, sondern muss ebenfalls ein „geistlicher Konsument“ sein. Das ist sicher manchmal den Gemeindegliedern  schwer zu vermitteln. Da habe ich Urlaub und setze mich am Sonntag in den Gottesdienst, den ein Lektor hält, um als „normales Gemeindeglied“ den Gottesdienst mit zu feiern. Jemand sagt dann: „Ach Herr Pfarrer, da hätten sie doch auch predigen können!“ Gut, das hat sich mittlerweile etwas geändert.

Es ist nicht meine Gemeinde!

(c) sxc.hu/michelini
(c) sxc.hu/michelini

Wenn ich von der Gemeinde geredet habe, wo ich gerade bin, dann habe ich immer von meiner Gemeinde gesprochen. Ich habe von ihr gesprochen, als wenn sie ein Teil von mir wäre, als wenn sie ohne mich nicht existieren kann. Dabei habe ich immer gedacht, ich bin in ihr unabkömmlich. Besonders dann, wenn man weiß, dass man der letzte Pfarrer ist, der am Ort wohnt. Ohne mich wird es vielleicht nicht weiter gehen. Aber das stimmt nicht. Und heute denke ich auch nicht mehr so. Denn es stimmt aus zweifacher Hinsicht nicht.

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde lässt Sie sich wie ein Versager fühlen

(c) sxc.hu/sundstrom
(c) sxc.hu/sundstrom

Diese Aussage klingt für den ersten Moment etwas krass, aber wenn man genauer hinsieht ist sie doch wahr.
Da bin ich doch als Pfarrer in der Gemeinde als Seelsorger angestellt und habe eigentlich auch das Vertrauen der Leute. Aber wo gehen die Leute dennoch hin, wenn sie einen Rat brauchen. Meistens gehen sie nicht zu mir als Pfarrer, sondern gehen zu „prominenten“ Ratgebern, die vielleicht auch noch ungeheuer viel Geld kosten. Aber dann kann es kosten, was es will.
Oder irgend ein prominenter Prediger ist in einem 30 km weit entfernten Ort. Da werden alle Hebel in Bewegung gesetzt und man fährt mit dem Auto hin, um ihn zu hören. Doch wenn sie als Pfarrer aus einem wichtigen Grund mal an einem Sonntag mit der Gemeinde keinen Gottesdienst in der Kirche feiern können und die Leute in den Nachbarort zum Gottesdienst einladen, dann wird garantiert irgend jemand meckern. In den Gottesdienst im Nachbarort werden die Wenigsten fahren.

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde bringt Sie auf eine Achterbahn der Gefühle

(c) sxc.hu / Vidor
(c) sxc.hu / Vidor

„Liebe Trauergemeinde, wir haben uns versammelt um Abschied zu nehmen, das habe ich heute Vormittag gesagt. Jetzt heißt es, liebe Traugemeinde, wir sind zusammen um das Brautpaar unter den Segen Gottes zu stellen.“

So könnte der etwas schusselige Pfarrer gerade noch die Kurve bekommen haben, als er seine Trauansprache beinahe mit der Traueransprache begonnen hatte. Aber diese etwas humorvolle Darstellung zeigt uns in welcher Gefühlswelt wir Pfarrer und Pfarrerinnen jeden Tag uns bewegen. Und dies Gefühlswelt kann sich an einem Tag mehrmals wechseln, ja sogar mehrmals innerhalb von einer Stunde. So bewegen wir uns ständig zwischen Freude und Verzweiflung hin und her. Da erfahren wir Bedrückendes von Menschen in der Seelsorge. Gewiss bringen wir es mit ihnen oder für sie vor Gott, aber spurlos geht es nicht an uns vorüber. Dann erhalten wir wieder eine froh machende Mitteilung aus der Gemeinde.

Der Dienst in einer kleinen Gemeinde kann Sie in Kleinigkeiten stecken bleiben lassen

(c) sxc.hu / trolf
(c) sxc.hu / trolf

Noch einmal möchte ich feststellen, dass wir in Deutschland fast nur kleine Gemeinden haben. Das heißt, wir haben überschaubare Gemeinden, wo sich zu mindestens im Kern die kennen, die sich aktiv am Gemeindeleben beteiligen. Diese sind in der Regel alle dem Pfarrer persönlich bekannt.

Aber so viel es Gemeinden gibt, so unterschiedlich ist im Detail der Dienst eines Pfarrers. In den Kirchen hat man versucht eine Dienstbeschreibung eines Pfarrers zu erstellen. Doch man ist mehr oder weniger gescheitert. Es gibt sicher einen gewissen Rahmen, der möglich ist zu beschreiben, aber die Details sind in den Gemeinden recht unterschiedlich.

Der Dienst als Pfarrer entfremdet sie von Gott

(c) sxc.hu / zizzy0104
(c) sxc.hu / zizzy0104

Manchmal stelle ich mit schon die Frage: „Wie nahe bist du als Pfarrer Gott?“ oder „Wie nahe ist Gott dir?“ Darauf eine Antwort zu bekommen ist nicht leicht. Sicher wird mancher Christ denken, dass ich es gut habe, wenn ich viel Zeit habe, mich mit dem Wort Gottes zu beschäftigen und viel Zeit habe zu beten. Doch es gibt einen großen Unterschied. Es ist etwas anderes, ob ich etwas, von Berufs wegen mache, oder ganz aus dem freien Herzen für mich persönlich.