Diese Aussage klingt für den ersten Moment etwas krass, aber wenn man genauer hinsieht ist sie doch wahr.
Da bin ich doch als Pfarrer in der Gemeinde als Seelsorger angestellt und habe eigentlich auch das Vertrauen der Leute. Aber wo gehen die Leute dennoch hin, wenn sie einen Rat brauchen. Meistens gehen sie nicht zu mir als Pfarrer, sondern gehen zu „prominenten“ Ratgebern, die vielleicht auch noch ungeheuer viel Geld kosten. Aber dann kann es kosten, was es will.
Oder irgend ein prominenter Prediger ist in einem 30 km weit entfernten Ort. Da werden alle Hebel in Bewegung gesetzt und man fährt mit dem Auto hin, um ihn zu hören. Doch wenn sie als Pfarrer aus einem wichtigen Grund mal an einem Sonntag mit der Gemeinde keinen Gottesdienst in der Kirche feiern können und die Leute in den Nachbarort zum Gottesdienst einladen, dann wird garantiert irgend jemand meckern. In den Gottesdienst im Nachbarort werden die Wenigsten fahren.
Sie gestalten die Gottesdienste am Sonntag attraktiv und ansprechend. Dann laden sogar persönlich dazu ein. Ein Gemeindeglied begegnet ihnen und sagt: „Ach, Herr Pfarrer, am Sonntagmorgen kann ich nicht kommen, da versäume ich doch den Fernsehprediger mit seiner so erbauenden Predigt. Der gibt mir soviel. Er ist wirklich ein gesegneter Mann Gottes und verkündet das reine Wort Gottes.“ Steht man dann nicht wie ein begossener Pudel da und fragt sich: Wer bin ich denn dann in Gottes Augen und in den Augen der Menschen?
Manchmal hat man noch so eine Art Gemeinde in der Gemeinde: Gruppen und Kreise, die stark von Externen beeinflusst werden. Und wenn die „rufen“, dann hat man keine Chance sie in der eigenen Gemeinde zu finden. Da steht man hinten dran.
Die in den letzten Jahren immer mehr gewachsenen Herausforderungen im pfarramtlichen Dienst stehen vor einem richtig übermächtig und machen zusätzlich ein schlechtes Gewissen. Wenn ich bedenke, dass ich heute für 3 Gemeinden zuständig bin und neben den pastoralen Diensten auch noch alle anderen Aufgaben zu bewältigen habe, dann kann es mir richtig schlecht werden.Da bekomme ich wirklich ein schlechtes Gewissen, wenn ich es nicht schaffe meine über 80 Jährigen zum Geburtstag zu besuchen. Es gab mal eine Vorgabe in unserer Kirche, dass man als Pfarrer mindestens 5 Hausbesuche in der Woche machen sollte. Eigentlich nicht viel. Aber selbst das ist nicht zu schaffen. Dabei ist unsere gegenwärtige Strukturreform noch nicht das Ende der Fahnenstange. In unserem Nachbarkirchenkreis wurde jetzt ein Kirchengemeindeverband mit einem Pfarrer gebildet, wo vor 25 Jahren noch 5 Pfarrer Dienst taten. Das Verrückte ist, dass die Zahl der Gruppen und Kreise in den Gemeinden in sich kleiner geworden sind, aber als Gruppen fast alle noch existieren. Jede Gemeinde möchte nach Möglichkeit ihr Angebot erhalten.
Dann stehen die Herausforderungen der Gegenwart an, denn missionarisch muss man auch sein, sich Neues einfallen lassen. Schließlich sind die Herausforderungen der Gesellschaft und der Menschen uns gegenüber größer geworden. Früher waren wir als Kirche der einzige Sinnanbieter. Heute müssen wir auf dem Markt der Religionen bestehen.
Nun hat man für die Gemeinde eine Vision, weiß wie man sie voranbringen kann. Man legt das dem Kirchenvorstand auf den Tisch und erfährt ein Abfuhr. Alle Veränderung wird zunichte gemacht. Nun eine kleine Gemeinde ist ja bekannt, dass man da nur etwas langsam verändern kann. Neue Gedanken müssen in ihr wachsen. Das braucht Zeit. Deswegen gehen bei unseren kirchlichen Ad hoc-Strukturreformen in unseren Gemeinden soviel kaputt.
Da kann man schon is Grübeln kommen und fragen: Was für ein Leiter bin ich, wenn ich es nicht einmal schaffe, das zu vermitteln, was für die Gemeinde dran ist? Wie kann ich dann Gottes Herde hüten? Wo ist Gottes Kraft und Beistand?
Gut, dass es mir das nicht nur alleine so geht! Schon im Alten Testament hat einer ähnliche Erfahrungen gemacht – Mose. Auch er musste eine manchmal recht „störrische Gemeinde“ leiten und kam sich sicher an manchen Stellen als Versager vor. Aber Gott hat ihn beauftragt – darum blieb er treu!
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