Fünf Porträts – fünf Linien zur Gnade

Die fünf nichtjüdischen Ahnfrauen Jesu - KI generiert
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Die (meist) nichtjüdischen Ahnfrauen Jesu – und warum sie für das Evangelium entscheidend sind

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Einleitung: Matthäus beginnt sein Evangelium (Mt 1,1–17) mit einem überraschenden Stammbaum: Er nennt vier FrauenTamar, Rahab, Ruth und „die Frau des Urija“ (Bathseba). Aus dem Alten Testament kommt als fünfte Ahnfrau hinzu: Naama, die Ammoniterin (1Kön 14; 2Chr 12) – sie steht nicht in Mt 1, gehört aber faktisch in die davidische Linie. Gemeinsam erzählen diese Frauen, dass Gottes Heil Grenzen sprengt: ethnische, moralische, soziale. Das ist mehr als Ahnenkunde – es ist die Vorspannung zur Mission Jesu (Mt 28,19).

Warum nennt Matthäus überhaupt Frauen im Stammbaum?

In der antiken Genealogie waren Männer die Norm. Dass Matthäus Frauen hervorhebt – und dann gerade diese – ist theologisch gesetzt:

  • Gnade statt makelloser Herkunft.
  • Inklusion statt Abschottung: Heidenvölker sind von Anfang an im Blick.
  • Gebrochene Geschichten werden nicht ausgeblendet, sondern in Gottes Heilsgeschichte verwandelt.

„Der Stammbaum Jesu ist kein poliertes Familienalbum, sondern eine Gnadenchronik.“


Die fünf Ahnfrauen im Überblick

1) Tamar – Recht im Bruch (Gen 38; Mt 1,3)
  • Kontext: Schutzlose Witwe im (frühen) Levirat-Setting; sie sichert der Linie Judas Nachkommen.
  • Schlüsselwort:Sie ist gerechter als ich“ (Gen 38,26). Hebräisch: ṣāḏəqāh mimmennî (צָדְקָה מִמֶּנִּי).
  • Pointe: Gott erhält die Messiaslinie trotz moralischer Brüche. Gerechtigkeit kann auch gegen Konventionen stehen.
2) Rahab – Glaube, der handelt (Jos 2; 6,22–25; Mt 1,5; Hebr 11,31; Jak 2,25)
  • Kontext: Kanaaniterin aus Jericho; riskiert ihr Leben, um Gottes Weg zu unterstützen.
  • Schlüsselwörter: ḥesed (חֶסֶד, „bundestreue Güte“), „scharlachrote Schnur“ als Rettungszeichen (Jos 2,18.21).
  • NT-Resonanz: „Durch Glauben“ (gr. pístis) wurde sie gerettet (Hebr 11,31); ihr Glaube zeigt sich in Taten (Jak 2,25).
  • Pointe: Zugehörigkeit entsteht nicht über Herkunft, sondern über vertrauendes Handeln.
3) Ruth – Bundesgüte unter Gottes Flügeln (Rut 1–4; Mt 1,5)
  • Kontext: Moabiterin, Migrantin, arm – und doch Trägerin der Verheißung.
  • Schlüsselwörter: ḥesed (treue Liebe), kānāf (כָּנָף, „Flügel/Schutz“), goʾēl (גֹּאֵל, „Löser/Erbbefreier“).
  • Pointe: Gottes Zukunft wächst aus Treue und Schutz – auch (und gerade) für Fremde.
4) „Die Frau des Urija“ – Wahrheit & Heilung (2Sam 11–12; 1Kön 1–2; Mt 1,6)

(Grenzfall: Bathseba ist ethnisch wohl Israelitin; Matthäus betont den hethitischen Kontext ihres ersten Mannes Urija.)

  • Kontext: Königlicher Machtmissbrauch, prophetisches Gericht, echte Umkehr.
  • Pointe: Gottes Verheißung reißt nicht ab, auch wenn Schuld ans Licht muss. Heilung gehört zur Linie des Messias.
5) Naama – die nicht Genannte in Mt 1 (1Kön 14,21.31; 2Chr 12,13; indirekt Mt 1,7–8)
  • Kontext: „Naama, die Ammoniterin“, Mutter Rehabeams (Sohn Salomos). Matthäus nennt Rehabeam, nicht Naama – dennoch steht ihre nichtisraelitische Herkunft in der Davidlinie.
  • Pointe: Im Herz der Königslinie Israels steckt Heidenherkunft – nicht als Makel, sondern als Teil von Gottes Heilsökonomie.

Der theologische Faden: Gnade, Gerechtigkeit, Inklusion

  • Gnade: Diese Geschichten sind keine Heldenposen, sondern Gnadengeschichten.
  • Gerechtigkeit (ṣedeq): Bei Tamar wird Recht gegen sozial etablierte Muster verteidigt.
  • Bundesgüte (ḥesed): Ruth und Rahab verkörpern loyale Liebe, die Zukunft schafft.
  • Wahrheit & Heilung: Bathsebas Geschichte zeigt: Umkehr öffnet den Weg zur Erneuerung.
  • Inklusion: Mit Naama, Ruth und Rahab sind Völker real in Jesu Stammbaum eingebunden.

Spannungsfolie: Dtn 23,4–5 schließt Ammoniter/Moabiter vom Heiligtum aus. Die Geschichten von Ruth (Moab) und Naama (Ammon) erzählen, wie Gottes Barmherzigkeit diese Grenze überschreitet – nicht willkürlich, sondern heilsgeschichtlich begründet.


Und was hat das mit der Mission Jesu zu tun?

Matthäus setzt Signale: Nach dem „Ahninnen-Vorspann“ kommen die Weisen aus dem Osten (Mt 2), der heidnische Hauptmann (Mt 8), die Kanaaniterin (Mt 15) – bis hin zum Missionsbefehl (Mt 28,19).
Logik: Wenn die Wurzeln der Messiaslinie schon völkerinkludierend sind, ist es nur konsequent, dass Jesus seine Jünger zu allen Völkern sendet. Die fünf Frauen sind sozusagen das DNA-Muster dieser Sendung.


Was bedeutet das konkret für heute?

  • Kirche als Schutzraum: Unter Gottes „Flügeln“ (kānāf) finden Fremde, Verwundete, Zweifelnde Platz.
  • Beziehungsmission: Wie bei Ruth/Boas wächst Zukunft durch Nähe, Treue, praktische Hilfe.
  • Gerechtigkeitsmission: Tamar erinnert uns, Recht zu schützen – besonders für die Schwachen.
  • Zeugenmission in Wort & Tat: Rahab zeigt: Vertrauen und Mut gehören zusammen.
  • Heilungsmission: Bathseba mahnt – Wahrheit ans Licht, Gnade in die Tiefe.

Fragen zu den nichtjüdischen Ahnfrauen

Ist Bathseba eine „nichtjüdische“ Ahnfrau?
Wahrscheinlich nein. Sie ist wohl Israelitin (2Sam 11,3; 1Chr 3,5). Matthäus betont aber bewusst den hethitischen Kontext ihres Mannes Urija (Mt 1,6), um die Grenzüberschreitung zu markieren.

Warum zählt Naama dazu, obwohl Matthäus sie nicht nennt?
Weil das AT sie dreimal als Ammoniterin und Mutter Rehabeams nennt (1Kön 14,21.31; 2Chr 12,13). Matthäus führt Rehabeam – damit ist Naamas Heidenherkunft faktisch im Stammbaum präsent.

Ist Tamar sicher Kanaaniterin?
Nicht ausdrücklich gesagt, aber sehr wahrscheinlich (Kontext von Gen 38). Wichtig ist: Ihre Geschichte trägt die Linie Judas – durch Gottes Gerechtigkeit und Gnade.


Für die, die gern genauer hinschauen (Wortfenster)

  • ḥesed (חֶסֶד, ḥé-sed): bundestreue Güte/Loyalität.
  • kānāf (כָּנָף, ka-náf): Flügel/Schutzsaum.
  • goʾēl (גֹּאֵל, go-ʾél): Löser/Erbbefreier.
  • ṣāḏəqāh mimmennî (צָדְקָה מִמֶּנִּי, ṣa-de-QÁ mim-MÉ-ni): „sie ist gerechter als ich“.
  • pístis (πίστις): Glaube/vertrauende Treue.

Weitere Gesprächsimpuls

  1. Welche „Grenze“ in meinem Umfeld (kulturell, sozial, moralisch) würde Jesus heute mit Gnade überschreiten?
  2. Wo braucht jemand „Flügel-Schutz“ (kānāf) – konkret durch mich/uns?
  3. Wie verbinden wir Wahrheit & Heilung, wenn Schuld ans Licht muss?

Weitere Bibelstellen (in Auswahl)

  • Matthäus 1,1–17; Josua 2; 6,22–25; Rut 1–4; 2. Samuel 11–12; 1. Könige 14,21.31; 2. Chronik 12,13; Hebräer 11,31; Jakobus 2,25; als Hintergrund Dtn 23,4–5.

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