Als ich das erste Mal den Begriff Emergenz oder auch Emerging Church gehört habe, konnte ich wirklich nicht viel damit anfangen. Das klang für mich wie Chinesisch. Nun habe ich mir erst einmal bei Wikipedia mit dem Begriff Emergenz beschäftigt. Dabei ist mir über den systemtheoredischen Ansatz die Begrifflichkeit der Emergenz deutlich geworden:
Emergenz ist eine kennzeichnende Eigenschaft von hierarchisch strukturierten Systemen. Solche Systeme haben auf der Makroebene Eigenschaften, die auf der einfacheren Organisationsebene, der Mikroebene, nicht vorhanden sind. Sie entstehen durch synergetische Wechselwirkungen zwischen den Elementen auf der Mikroebene.
Wenn ich das auf die Gemeinde oder die Kirche umsetze, dann wird deutlich, dass es sie nicht gibt, die Einheitsgemeinde. Jede Gemeinde ist abhängig von der Sie umgebenden gesellschaftlichen Faktoren. So ist auch jede Gemeinde anders geprägt und in jeder Gemeinde muss das Evangelium entsprechend ihrer gesellschaftlichen Faktoren verkündigt werden. Auch wenn es vielen nicht bewußt ist, wird in einer Gemeinde bewußt der Glaube an Jesus Christus gelebt, ist sie emergent.
Ich bin Pfarrer in einer Dorfkirchengemeinde mit 1000 Mitgliedern und 3000 Einwohnern. Diese Dorf wird wirdschaftlich geprägt von einer Argragenossenschaft und einigen Kleinbauern, sowie einem großem Wälzlagerwerk. Natürlich hat das Einfluß auf das Gemeindeleben.
Vor 40 Jahren haben die Arbeiter des Wälzlagerwerkes eine Arbeiterwohngenossenschaft gegründet und eine Mietwohnsiedlung aufgebaut. Diese Menschen sind jetzt Rentner, teilweise über 80 Jahre. Das hat natürlich Einfluß auf das Gemeindeleben z.B. Fahrdienst zum Gottesdienst, Überlegung zu Anmietung einer Wohnung als Kirchenbüro usw.
Andererseits haben wir eine starke lebendige Landeskirchliche Gemeinschaft. Nicht emergent wäre sich gegen sie zu stellen. Emergent ist es sie mit ihren Möglichkeiten zu nutzen und in die Kirchgemeinde einzubinden.
Ich verstehe eine emergente Kirche als ein Organismus, der in der Wechselwirkung mit seinen Gemeindegliedern, anderen Gemeinden, mit der Gesellschaft und der Kultur steht. Da kann dann neues noch nie dagewesenes entstehen, dass die Verkündigung des Evangeliums vorantreibt.
Ein anderes Beispiel: Ich hatte in meiner Kirche einen Bischof, der hatte 1990 vorgeschlagen, erst einmal alle Kirchen und Gemeinden zu schließen und die Pfarrer, Pastorinnen und Mitarbeiterinnen zu entlassen. Und dann darauf zu vertrauen, dass die Gemeinden wieder neu entstehen. Sicher nicht mehr so, wie in den Landeskirchlichen Strukturen, sondern anders und mit neuen Strukturen und Möglichkeiten.
Leider, so möchte ich heute sagen, hat man diesen Schritt nicht gewagt und dockter heute noch an irgend welchen alten Strukturen herum.
Natürlich birgt solches emergente Handel auch Gefahren mit sich, die Gefahr einen falschen Weg zu gehen. Nicht umsonst hat der Apostel Paulus die Korinther so zusammengestaucht.
Natürlich gilt bei einer emergenten Kirche auch die Grundsätze der Emergenz. Noch einmal die Wikipedia zur Nichtvorhersagbar neuer emergenter Eigenschaften:
- Das System ist bereits so komplex, dass es ohne Reduktion nicht untersuchbar oder simulierbar ist.
- Es entstehen zwischen den Systemelementen neue Verbindungen, Wirkbeziehungen und Prozesse, die nicht implementiert (vorgeplant) waren.
- Die Kopplungen oder Wirkbeziehungen zwischen allen Elementen werden durch die Integration des neuen Elementes verändert.
Wie oft habe ich das als Pfarrer schon erlebt, dass aus Gemeindesituationen Ergebnisse herauskamen, welche ich nicht erwartet habe, und die mich zum Stauen gebracht haben.
Der größte emergente Faktor in einer emergenten Kirche ist Gottes Heiliger Geist.
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