
Ein Plädoyer für Tiefe, Kontextsensibilität und einen langen Atem
In Deutschland gibt es keinen Jesus-Hype , sondern eher Gegenwind. Trotzdem können und sollen wir glaubwürdig über Jesus sprechen: mit Tiefe, kultureller Sensibilität und einem Lebensstil leben, der die Botschaft verkündigt.
Jesus ist wieder sichtbar – zumindest in manchen Medien. Serien wie The Chosen, Werbespots wie He Gets Us oder Filme wie Jesus Revolution lassen vermuten: Es gibt wieder eine gewisse Offenheit für geistliche Themen. Doch während in den USA tatsächlich ein gewisser „vibe shift“ spürbar ist, erleben wir in Deutschland sehr oft das Gegenteil: Kirchenaustritte auf Rekordniveau, eine wachsende Distanz zur Kirche und eine Kultur, die christliche Themen werden eher skeptisch oder nur ganz privat betrachtet.
Was bedeutet das für uns als Christinnen und Christen? Sollen wir auf die mediale Wellen aufspringen – oder gibt es einen tieferen, tragfähigeren Weg, über Jesus zu reden, der auch in einem Klima des Gegenwinds Bestand hat?
1. Reden über Jesus beginnt mit Hinhören
Glaubwürdige Verkündigung beginnt nicht mit Lautstärke, sondern mit Empathie. Menschen fragen heute nicht nur: „Was glaubst du?“ – sondern: „Lebst du das?“
Und: Nicht jeder hört gleich. Deshalb müssen wir die unterschiedlichen Milieus und Kulturen verstehen, in denen Menschen heute leben. Ob intellektuell, traditionsverbunden, online-sozialisiert oder spirituell suchend – jeder braucht eine andere Sprache für das Evangelium.
In Deutschland bedeutet das auch:
- Milieus verstehen: Wer im Bildungsbürgertum über Jesus spricht, muss anders ansetzen als in prekären Stadtvierteln oder in einer säkular geprägten Jugendkultur.
- Kulturen ernst nehmen: In einer pluralen Gesellschaft begegnen wir Menschen mit muslimischem, hinduistischem, atheistischem oder agnostischem Hintergrund. Hier ist Respekt keine Taktik, sondern Grundhaltung.
Jesus selbst hat das vorgelebt: Er sprach mit Nikodemus anders als mit der Frau am Jakobsbrunnen.
2. Tiefe statt Schlagworte
Ein Jesus-Meme auf Instagram ist kein Evangelium. Wer glaubwürdig von Jesus spricht, spricht ehrlich, menschlich, hoffnungsvoll – und nicht marketinggetrieben.
Jesus ist kein Trendprodukt, sondern der lebendige Herr, der unsere Herzen sucht.
In einer „Post-Kirchen-Gesellschaft“ wie unserer spüren Menschen schnell, ob sie ernst genommen werden oder nur „Zielgruppe“ sind. Darum braucht es:
- Biblische Substanz statt bloßer Schlagworte
- Verständlichkeit ohne Banalität
- Zeugnis statt Marketing
Ein mediales Jesus-Bild kann eine Tür öffnen, aber es braucht ein zweites, tieferes Gespräch, das nicht bei Fernsehbildern stehenbleibt, sondern ins Herz der frohen Botschaft führt: Jesus Christus lebt – und ruft zur Nachfolge.
3. Christsein leben – nicht nur bekennen
Menschen suchen nach Echtheit. Verkündigung geschieht nicht nur auf Kanzeln oder Social Media, wie TikTok, Instagram und Co, sondern im Alltag: Wie wir mit Fehlern umgehen, mit Leid, mit Freude – all das predigt.
In einem Umfeld, das dem christlichen Glauben oft misstraut, ist gelebte Authentizität das stärkste Argument:
- Wie gehen wir mit Schwäche um?
- Wie leben wir Vergebung?
- Wie zeigen wir Freude am Glauben ohne Überheblichkeit?
Manchmal gilt mehr denn je: „ Predige das Evangelium zu jeder Zeit. Wenn es nötig ist, benutze auch Worte.“
Paulus schrieb an die Korinther, sie seien „ein Brief Christi“ (2. Kor 3,3) – gelesen von allen Menschen. Das gilt heute mehr denn je.
4. Kirche als Ort der Begegnung – und der Gegenkultur
Unsere Gemeinden sind kein Anhang zur Medienwelt. Sie sind Orte, wo Christus real erfahrbar wird: in Gemeinschaft, Gebet, Stille, Liebe.
Gerade in einer säkularen Öffentlichkeit kann Gemeinde eine wohltuende Gegenkultur sein:
- ein Ort echter Gemeinschaft in einer individualisierten Welt
- ein Ort der Hoffnung inmitten von Krisen
- ein Ort der Stille in einer lauten Gesellschaft
Das erfordert offene Kirchenräume – nicht nur für Gottesdienste, sondern für Gespräche, Begegnung, Mitgestaltung. Gemeinde muss erlebbar machen, dass Glaube weder altbacken noch oberflächlich ist, sondern lebensnah und tragfähig.
5. Fazit: Evangelisation als Langstrecke
Wir müssen nicht jeden Trend mitmachen. Aber wir dürfen wach sein für das, was Gott tut – auch jenseits von Hypes. In Deutschland gibt es keinen „Jesus-Hype“. Aber es gibt Menschen, die nach Sinn, Hoffnung und Liebe suchen – oft fern der Kirche.
Deshalb braucht es heute:
- Langfristige Beziehungsarbeit statt Kurzzeitaktionen
- Kulturelle Sensibilität statt US-Import-Strategien
- Tiefe geistliche Verwurzelung statt Aktionismus
Christus ist kein Modewort – er ist das Leben selbst.
Er ist Herr – auch über Zeiten des Gegenwinds.
Und er ruft uns, treu zu bezeugen, egal wie der Zeitgeist steht.
Ich wurde durch den Artikel von Ed Stetzer Jesus Is Trending: How to Take Advantage of the Vibe Shift angeregt, meinen Blogbeitrag zu schreiben, weil ich dessen Artikel erst einmal nicht verstanden hatte und weil ich nicht ganz mit dem gesagten einverstanden bin.