Wenn ich von der Gemeinde geredet habe, wo ich gerade bin, dann habe ich immer von meiner Gemeinde gesprochen. Ich habe von ihr gesprochen, als wenn sie ein Teil von mir wäre, als wenn sie ohne mich nicht existieren kann. Dabei habe ich immer gedacht, ich bin in ihr unabkömmlich. Besonders dann, wenn man weiß, dass man der letzte Pfarrer ist, der am Ort wohnt. Ohne mich wird es vielleicht nicht weiter gehen. Aber das stimmt nicht. Und heute denke ich auch nicht mehr so. Denn es stimmt aus zweifacher Hinsicht nicht.
Das erste ist: die Gemeinde gehört einem anderen. Sie gehört Gott. Sie ist Gottes Gemeinde. Er hat mich in ihr zum Dienst berufen. In ihr darf ich dienen und wirken. Ich darf es tun mit meinem besten Können und Vermögen. Dazu hat er mich befähigt und begabt. Er hat mich eingesetzt und gesegnet.
Einerseits stellt es mich in die Pflicht, in die Pflicht ihm gegenüber. Doch andererseits befreit es mich. Es befreit mich davon, dass ich die Last der Gemeinde alleine tragen muss. Weil es seine Gemeinde ist, kann ich sie ihm anvertrauen. Ich darf wissen, dass er sie in seiner Hand hält. Er wird sie bewahren und bauen, auch wenn ich in ihr versage.
Es gilt gerade auch im Bezug auf die Gemeinde, was der Psalmbeter sagt:
Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
Psalm 127,1
Das zweite: Die Gemeinde gehört den Menschen, die in ihr sind, bevor ich da war und nachdem ich gehe! Ich bin ein Stück Wegbegleiter dieser Menschen. Sie haben eine lange Tradition hinter sich. Aus dieser leben sie zum Teil. Daher ich kann nicht alles umwerfen. Ich muss mich in die Kultur der Gemeinde und des Ortes hinein fühlen. Mit den Menschen gehe ich ein paar Jahre. Vielleicht sind es 5, 10 oder 15 Jahre. Dann bin ich wieder weg. Die Menschen bleiben. So sind es auch sie, die das Aussehen und das Leben der Gemeinde bestimmen. Den Kirchenvorstand oder die Gemeindeleitung kann ich nicht bestimmen! Auch kann ich ihnen nicht irgendwelche Ideen oder Visionen überstülpen, so gut und richtig sie auch sein mögen. Das braucht Zeit und ist ein langer Prozess. Manchmal gelingt es gar nicht. Ich kann die Verantwortlichen der Gemeinde nur umwerben, wie ein Bräutigam seine Braut! Es klingt zwar komisch, aber es ist hier so. Politik gehört zum Geschäft eines Pfarrers. Dankbar bin ich, dass ich als landeskirchlicher Pfarrer nicht sofort auf der Abschussliste stehe, wenn ich mal etwas Missfallen bei den Leuten errege. Das gibt mir ein Stück Sicherheit. Aber überspannen kann ich den Bogen dennoch nicht.
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