Gott hat mein Gebet erhört! Wie schön, wer genau diese schöne Erfahrung im Glauben gemacht hat. Wenn es so gekommen ist, wie wir es uns von Gott erbeten haben – vor allem, wenn es eine baldige und konkrete Gebetserhörung war. Das ermutigt uns, beharrlich zu beten. Doch das ist nicht immer so. Vielleicht haben wir besonders in den letzten Jahren im Blick auf Corona und dem Ukraine-Krieg, aber auch auf Grund manches persönlichen Erleben die Erfahrung gemacht, dass es nicht so ist, dass unsere Gebete erhört werden oder sie werden nur bedingt erhört. Dabei kommt man schon ins Grübeln und Fragen. ‌
Nicht erhörte Gebete, und keiner von uns versteht, warum das so kommen musste, wie es gekommen ist. Das nagt an unserem Glauben und wirkt Zweifel.
‌Nicht erhörte Gebete – das ist keine Kleinigkeit – denn hier wird das Herzstück unseres Glaubens berührt.
‌Denn: zu Beten und von Gott alles zu erwarten – das ist die Grundübung des Glaubens.‌
Der Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer schrieb für seine Mitgefangenen folgendes Morgengebet:
‌Gott, zu Dir rufe ich in der Frühe des Tages. Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu Dir; ich kann es nicht allein.
Dietrich Bonhoeffer
In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht; ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht; ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe; ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede;
in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld; ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich.
‌Mit der Frage nach dem Beten, betreten wir ein Gebiet, in welchem wir nie Profis und Könner sind, sondern wir bleiben bis zum letzten Atemzug unseres irdischen Lebens immer Lernende.
Wir haben in unserer Gesellschaft eine Zeitepoche hinter uns – die Moderne – in der das Gebet verachtet wurde. Der Theologe Gerhard Ebeling sprach sogar vom „Gebetskollaps der Moderne“. Jetzt entdecken viele Menschen wieder das Gebet. Es entstehen sogar in unseren Gemeinden sogenannte Gebetshäuser. Das bekannteste ist in Augsburg. Und diese sind sehr wichtig. Und es wird deutlich dass das christliche Gebet das Gespräch mit dem himmlischen Vater ist und keine Selbstreflektion in Meditation und Yoga.
‌Jesus selbst macht uns in einem Gleichnis deutlich, dass Gebet ein Ringen ist um den rechten Willen Gottes zu finden. Jesus macht uns deutlich, dass Gott unsere Not mit dem Beten ernst nimmt und ermutig uns am Beten dran zu bleiben:
‌​Lukas 18,1–8 BB
1 Jesus wollte den Jüngern deutlich machen, dass sie immer beten sollen, ohne darin nachzulassen. Deshalb erzählte er ihnen ein Gleichnis: 2 »In einer Stadt lebte ein Richter. Der hatte keine Achtung vor Gott und nahm auf keinen Menschen Rücksicht. 3 In der gleichen Stadt wohnte auch eine Witwe. Die kam immer wieder zu ihm und sagte: ›Verhilf mir zu meinem Recht gegenüber meinem Gegner.‹ 4 Lange Zeit wollte sich der Richter nicht darum kümmern. Doch dann sagte er sich: ›Ich habe zwar keine Achtung vor Gott und ich nehme auf keinen Menschen Rücksicht. 5 Aber diese Witwe ist mir lästig. Deshalb will ich ihr zu ihrem Recht verhelfen. Sonst verpasst sie mir am Ende noch einen Schlag ins Gesicht.‹« 6 Und der Herr fuhr fort: »Hört genau hin, was der ungerechte Richter hier sagt! 7 Wird Gott dann nicht umso mehr denen zu ihrem Recht verhelfen, die er erwählt hat – und die Tag und Nacht zu ihm rufen? Wird er sie etwa lange warten lassen? 8 Das sage ich euch: Er wird ihnen schon bald zu ihrem Recht verhelfen! Aber wenn der Menschensohn kommt, wird er so einen Glauben auf der Erde finden?«
‌Jesus vergleicht die Situation der Witwe mit unserem Beten vor Gott. Sie hat nach dem damaligen Rechtssystem nicht den Schutz eines Ehemanns, der ihre Interessen vor Gerichten vertritt und war damit der Willkür des Gegners und des Richters ausgeliefert.‌
Im Alten Testament gab es darum besondere Bestimmungen für die Gerechtigkeit im Namen der Witwen und Waisen und derjenigen, die in irgendeiner Weise im rücksichtslosen Wettbewerb des Marktes benachteiligt waren. Ein gerechter Richter hörte sich den Fall der Armen, Hilflosen und Bedürftigen ebenso gewissenhaft an wie den der Wohlhabenderen.‌
Der Richter hier im Gleichnis Jesu war jedoch ungerecht; er hatte keine besondere Achtung vor der Gerechtigkeit. Er war ein gottloser Mann, der keinen Respekt vor Gott hatte und bei seinen Urteilen auch nicht an Gott dachte. Er war ein skrupelloser Schurke.‌
Dennoch von der Witwe können wir es lernen, es ist ihre Entschlossenheit. Es ist ihre Entschlossenheit, die den Richter in die Knie zwingt. Richtig resolut steht die Witwe täglich vor der Tür des Richters und fordert. Fast draufgängerisch und zu allem bereit.
‌Doch durch ihren Mut und durch ihre Zähigkeit, durch ihre Ausdauer und ihre Treue schafft sie es. dass sie beim Richter Gehör bekommt und ihre Anklage zugelassen wird.
‌So ermutigt uns Jesus, vor Gott zu treten und zu beten. Ein ausdauerndes Gebet. Damit haben doch Gebetsketten Sinn oder das 24/7 Gebet oder Fasten-Gebete und ähnliches. Nicht nur das.
‌Für den Apostel Paulus ist das alltäglich Leben in einer Gebetshaltung möglich, in einer ständigen Beziehung mit Gott. Er sagt:
​1. Thessalonicher 5,16–17 LU
16 Seid allezeit fröhlich, 17 betet ohne Unterlass,
‌Damit ist keine Plappern und Reden gemeint, sondern das ist ein Art innere Lebenshaltung. In Beziehung zu Gott leben.
‌Weil das Gebet das Lebenselement dessen ist, der Gott vertraut und ihm folgt, kann sich Paulus auch nicht mit gelegentlichem B. begnügen, sondern ermahnt seine Gemeinde zum immerwährenden, beharrlichen Gebet (Röm 12,12; Kol 4,2; 1Thess 5,17 »Betet ohne Unterlass« u.ö.). B. ist hier nicht nur gemeint im engeren Sinne des Sprechens mit Gott, sondern auch im Sinne eines Lebens im Bewusstsein der Gegenwart Gottes (1Thess 5,10).
Fritz Rienecker; Gerhard Maier; Alexander Schick; Ulrich Wendel
‌Gott handelt aber aus vollständig anderen Beweggründen als der ungerechte Richter. Dabei ist dieser Richter kein Bild für Gott. Wenn schon ein skrupelloser, ungerechter Richter, der weder auf die Menschen noch auf Gott Rücksicht nimmt, die Bitten dieser lästigen Frau erhört, wie viel mehr wird der himmlische Vater, der gerecht und fürsorglich ist, die Schreie seines Volkes hören. Genau das ist die Zusage, die wir heute aus diesen Gleichnis hören sollen. Und schon stellt sich für uns die Fragen: Wie beten wir denn überhaupt? Wie sieht denn unser Gebet aus? Beten wir es nur gebetsmühlenartig, wie die buddhistischen Mönche in Tibet und meinen damit: Ich muss nur genügend Gebete zu Gott gerichtet haben, dann wird er schon richtig handeln.
Das ist die falsche Einstellung zum Gebet, denn Gebet ist etwas ganz anderes.
- Es ist das Reden des Herzens mit Gott.
- Es ist ein Gespräch mit dem himmlischen Vater, der sich erbarmt.
- Es ist ein Reden und Ringen, leidenschaftlich, angefochten, verletzlich. ‌
Und Gott – er kann am Ende immer noch Ja oder Nein sagen. Das habe ich nicht in meiner Hand. Im Gebet setze ich mich Gott aus, ich stehe vor Gott mit leeren Händen.
‌Vielleicht so, wie es der Liederdichter Lothar Zenetti beschreibt:
‌Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr;
Lothar Zenetti
fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott;
mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.
Hier bin ich Gott, stehe vor dir arm, elend, nackt und bloß. Ich bin ein Bittsteller. Die letzten überlieferten Worte Martin Luthers machen es uns deutlich: „Wir sind Bettler. Das ist wahr.“
‌Wir sind angewiesen auf die Güte Gottes, auf sein zugewandtes Angesicht. Darum noch einmal: Es ist nicht unsere Hartnäckigkeit, die es macht.
‌Wenn wir unser Beten mit dem Auftreten der Witwe vergleichen, müssen wir feststellen, dass wir mit unserem Beten meisten so richtig lasch sind. Wir falten oft unsere Hände so richtig erwartungslos. Wir erwarten selbst nichts von unseren Gebeten. Unsere Gebet rasseln wir oft sogar fest vorformuliert fast gebetsmühlenartig herunter. Wenn wir fünf Minuten später nachfragen würden, was wir gebetet haben, dann haben wir es schon vergessen.
‌Ich habe schon Gebetsgemeinschaften, wo jedes Mal jeder jedes mal die gleiche Bitte vorträgt. Mehr nicht. Und am Schluss noch Vaterunser und Segen. In Gedanken sind wir schon wieder ganz woanders – das ist Routine. Da passiert bestimmt keine Gebetserhörung.
‌Ganz anders sehen wir da die Witwe im Gleichnis, wie tritt sie da auf? Sie will etwas erreichen, sie setzt alles daran, steht dahinter und es kommt aus vollem Herzen.
‌Zu solch einem Gebet will uns Jesus heute ermutigen. Gerade weil Gott anders ist als der fiese Richter. Er ist so ganz anders, eigentlich sogar genau das Gegenteil. Er liebt die Gerechtigkeit und schützt das Recht. Er hilft den Waisen und Witwen. Mit unserem Gebet rennen wir darum bei ihm offene Türen ein, denn er hat für uns ein offenes Ohr. Wir sind ihm wichtig – er ist an uns interessiert und hört uns zu.
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‌Als Christen hier im Altenburger Land befinden wir uns schon seit längerer Zeit in einer Umbruchzeit. Sie hat sich jetzt in den letzen Jahren noch verstärkt. Unsere Gemeindegliederzahlen haben noch stärker abgenommen und damit die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter. Mit der Gemeindearbeit können wir nicht mehr so weitermachen wie bisher. Das spüren wir alle nur zu gut. Wir sind alle sehr unzufrieden und fühlen uns nicht wohl. Unsere Strukturen stimmen nicht mehr. Ja wir fühlen uns in dieser Situation als Gemeinde und als Gemeinden hilflos, aber auch die Mitarbeiter fühlen sich hilflos. Denn es gibt keine menschliche Lösung mehr, die nicht weh tut.
‌Die hilflose Witwe ist in ihrer Situation auf den Richter angewiesen. Wir sind als hilflose Gemeinde heute ganz und gar auf Gott angewiesen. Nur durch das anhaltende Gebet der Gemeinde ist eine Lösung möglich. Darum möchte ich euch ermutigen, betet für diese ganze Sitation und treten vor Gott dafür ein, dass wieder neues und auch anderes geschieht. Vielleicht sind es wir, die sich zuerst verändern müssen. Ich sage sogar, mit Sicherheit.
‌Beten heißt ja nicht einfach das Herz ausschütten, sondern es heißt, mit seinem erfüllten oder auch leeren Herzen den Weg zu Gott finden und mit ihm reden. Das kann kein Mensch von sich aus, dazu braucht er Jesus Christus.
Dietrich Bonhoeffer
‌Am Schluss stellt Jesus die Frage, ob er bei seiner Wiederkunft auf Erden Glauben finden wird? Wird die Gemeinde seiner Verheißung glauben? Gott will helfen, aber wir wollen nicht glauben. Und genau dafür sollten wir beten, dass der Herr bei seinem Kommen bei uns und in unseren Gemeinden Glauben findet.
Amen.
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