Wenn aus Freunden Feinde werden!

(c) sxc.hu/lusi
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Das ist eine Erfahrung, die viele Menschen in ihrem Leben machen, und auch Pfarrerinnen und Pfarrer in dem Dienst in ihren Gemeinden. Wie man damit umzugehen hat, darauf eine Antwort zu geben, ist nicht leicht. Um ehrlich zu sein, es gibt keine Patentlösung. Jede Situation ist anders.

Als ich dieses Thema bei Google eingab, landete ich im Internet immer wieder auf Selbsthilfeforen, wo es in besonderer Weise um Freundschaften von jungen Menschen ging. Dabei sind die Ursachen, dass es dazu kommt, häufig sehr unterschiedlich. Meistens sind es Beziehungsprobleme. Da spannt die Freundin den Freund oder der Freund die Freundin aus. Aber es kann oft ganz andere Ursachen haben. Die Ratschläge, die da zu hören sind, lauten von aufeinander zugehen, über Versöhnung suchen bis zur Radikalkur der Trennung und vieles mehr.

Ein anderes weites Feld, wo aus Freunden Feinde werden, ist das große Feld des Nachbarschaftsstreites. Und damit beschäftigen sich unzählige Gerichte. Anfang war man richtig dicke Freunde. Man lebte miteinander, man feierte miteinander, man war füreinander da. Doch dann beginnt es langsam zu kriseln. Ursache kann manchmal etwas ganz primitives oder ein absolutes Missverständnis sein. Vielleicht ist es nur ein Blumentopf, der etwas zu weit links steht, oder die legendären Gartenzwergstreitigkeiten.

Zwei Bereiche aus unserem täglichen Leben, wo aus Freunde Feinde werden können. Aber auch in allen anderen Bereichen des Alltages, wie Arbeit, Hobby, Familie, Verein usw., ist das möglich.

Und schlagen wir die Bibel auf, finden wir das in ihr immer wieder. Das erste Mal, wo es passiert, ist eben der Brudermord von Kain und Abel. Da erschlägt Kain seinen Bruder Abel, weil dessen Opfer bei Gott besser angesehen war. Missgunst ist der Motor der negativen Verwandlung.

Aber auch Jesus erfuhr bei zwei seiner Jünger, wie aus Freunden Feinde wurden. Das absolute Beispiel dafür ist Judas. Er gehörte mit zu den zwölf Vertrauten Jesu. Er kannte ihn; kannte seine Lebensgewohnheiten und nutze diese aus. Judas wusste, an welchen abgelegenen Ort, weit entfernt von der Menschenmenge, Jesus betete. Dort führte er die Tempelsoldaten hin und verriet ihn mit einem Kuss. Dass hier aus Freunden Feinde wurden, endete am Ende für beide tödlich.

Ein anderer Freund Jesu war Petrus, auch er verriet Jesus: „Ich gehöre nicht zu ihm.“ Dann weinte er bitterlich, heißt es später. Er ist das positive Beispiel, dass eine Versöhnung doch wieder möglich ist. Jesus und er versöhnten sich und aus der Krise ist dann Großes erwachsen.

Noch einer, der eine herbe Enttäuschung erlebt hat, war Paulus durch Johannes Markus. Ob sie regelrecht zu Feinden wurden, wissen wir nicht. Auf jeden Fall hatte dieser ihn einmal bei einer anderen Missionsreise vorzeitig verlassen (Apg. 15,38). Es kam dann zum Streit zwischen Paulus und Barnabas und zur Trennung bei ihrer Missionsarbeit. Ein bisher sehr erfolgreiches Missionsteam hatte sich daraufhin getrennt. Ob da wieder eine Versöhnung möglich war, wissen wir nicht.

Auch in unseren Gemeinden erleben wir es immer wieder, wie aus dicken Freundschaften absolute Feindschaften werden. Unsere Gemeindeglieder sind davon, trotz der Botschaft der Liebe und der Versöhnung, die sie in der Gemeinde hören, nicht frei. Man erlebt mit, wie das Wissen aus der Freundschaft zum eigenen Vorteil ausgenutzt wird. Manchmal wissen die Streithähne nicht, wer Opfer und Täter ist. Solche Feindschaften können sich sogar über Generationen von Familien fortsetzen, ohne dass man noch den Ursprung weiß. Dass gibt es in der christlichen Gemeinde. Das ist oft die Ursache von Gruppen- und Cliquenbildung in der Gemeinde. Wenn eine Gemeinde an dieser Stelle wirklich Veränderung will, bedarf es eines langen und manchmal recht anstrengenden Gemeindeberatungsprozesses. Und sie muss bereit sein, sich auf Veränderung und Versöhnung einzulassen.

Damit wollte ich erst einmal aufzeigen, dass die Erfahrung, dass aus Freunden Feinde werden, zum einen eine alte Erfahrung ist, die wir in der Bibel wiederfinden, und zum anderen eine Erfahrung ist, die uns im täglichen Alltag begegnet.

Nun machen Pfarrer und Pfarrerinnen in ihrem Dienst in den „kleinen Gemeinden“ ebenfalls diese Erfahrung, dass aus Freunden Feinde werden. Das schreibe ich nicht vom grünen Tisch, sondern das wurde mir in manchen Gesprächen bestätigt.

Wir erleben es immer wieder in unserem Beruf, wie aus Menschen, die uns Freunde waren, mit denen wir zusammen gesessen haben, Familienfeste gefeiert haben, Urlaub gemacht haben, Freud und Leid geteilt haben, auf einmal uns zu Feinden wurden. Ich habe, und wenn ich das sage, meine ich das auch „Gott sei Dank“, also ich habe es erlebt. wie Freunde, mit denen ich dienstlich zu tun hatte, wirkliche Wegbegleiter waren und sind bis heute und ich es ihnen sein kann. Und unsere Freundschaft hat schon viele Jahre Bestand.

Dass aus Freunden Feinde werden, oft ist die Ursache gar nicht bekannt oder zu mindestens erst einmal nicht bekannt. Die Ursachen können hier sehr vielfältig sein. Manchmal ist es eine äußere Situation oder ein Umstand. Der bisherige Freund hat vielleicht in der Gemeinde ein Position, die jetzt eine Machtstellung gegenüber dem Pfarrer oder der Pfarrerin hat. Dann wird auf einmal das Wissen aus der bisherigen Freundschaft ausgenutzt und gegen den Pfarrer oder die Pfarrerin verwendet. Der Pfarrer oder die Pfarrerin werden zum Opfer?

Was ist da zu tun?

Es gibt wie überall im Leben nicht die absolute Patentlösung. Jede Situation ist ein „Einzelfall“. Ich bin auch kein Gemeindeberater oder Psychologe. Daher ist das, was ich hier schreibe, wirklich nur die erste Hilfe.

1. Tief durchatmen

Reagieren sie nicht sofort! Versuchen sie ruhig zu bleiben und für ihre Reaktion Zeit zu gewinnen. Atmen sie mehrmals tief durch. Versuchen sie die Vorwürfe des andern zu spiegeln: „Wie meinst du das?“ Lassen sie sich diese noch einmal erklären, auch wenn es in ihnen brodelt. Vielleicht entkräften sie sich schon durch die zweite Erklärung! Lassen sie sich dann nicht auf eine unendliche Diskussion ein. Gegebenenfalls schließen sie einfach abrupt: „Das sind persönliche Dinge, über die möchte ich nicht sprechen!“

2. Das Gespräch mit dem anderen suchen

Auch wenn der andere sie verletzt hat, suchen sie das Gespräch mit ihm. Damit bleiben sie aktiv und bewegen sich aus der Opfer-Rolle heraus. Es sollte schon das Vier-Augen-Gespräch sein. Wenn er sich darauf einlässt, ergründen sie seine Ablehnung und Anfeindung. Vielleicht kann man Missverständnisse klären.
Sind es Beziehungsprobleme ist es vielleicht gut, einen Menschen des Vertrauens mit einzubeziehen.
Dann könnte man weiter überlegen, wie man zukünftig miteinander umgeht. Ob man z.B. für eine gewisse Zeit wieder zurück vom Du zum Sie geht.
Schwieriger gestaltet sich das Problem, wenn kein Gespräch mit dem Gegenüber möglich ist.

3. Vergeben können

Bei Trauungen predigen wir, dass Vergebung die Grundlage einer Beziehung zwischen Mann und Frau ist. Vergebung ist die Grundlage zwischen den Beziehungen der Menschen überhaupt. Auch hier gilt das. Darum ist es auch für uns Pfarrer und Pfarrerinnen wichtig, dem anderen zu vergeben. Sicher wir haben, wie alle Menschen das Problem, dass doch ein kleines Misstrauen bleibt, es könnte doch wieder passieren. Vielleicht passiert es auch! Doch unser Herr hat uns angehalten zu vergeben.

4. mit dem Problem nicht allein bleiben

Das ist das wichtigste überhaupt. Allein bleiben heißt auch, das Problem nicht nur mit der Familie, mit dem Ehepartner und den Kindern, bewegen, sondern mindestens einen anderen Menschen suchen, um darüber reden zu können. Günstig wäre, dass dieser Mensch keinen Bezug zur Gemeinde hat. Er sollte auf jeden Fall kein Freund, des anderen sein, sonst gerät er selber in eine Zwickmühle. Es wäre überhaupt gut Menschen zu haben, die dies Situation mittragen, vielleicht eine Bruderschaft, oder ein Glaubenskonvent oder ähnliches. Selten wird es der Pfarrkonvent sein.

5. Angebote der Supervision nutzen

Da gibt es in jeder Kirche für Pfarrerinnen und Pfarrer Angebote kirchlicher Supervision, diese sind teilweise kostenlos und teilweise kostenpflichtig. Doch die Supervisoren können helfen für die Situation einen besseren Blick zu bekommen und können bei notwendigen innerkirchlichen Schritten beistehen.
Wer kein Vertrauen in kirchliche Supervisoren hat, kann auch das Angebot von freien Supervisoren oder von Supervisoren aus der Wirtschaft nutzen. Die kosten richtig Geld, aber deren Sicht ist noch neutraler.

 6. Alleine und mit anderen beten

Wichtig ist, dass immer die Anbindung nach oben besteht. Die Anbindung an Gott, von dem es heißt:

Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt.

1. Kor. 10,13

Denn das Beten selber verändert unsere eigene Sicht und Haltung zu dem Problem und zu der Person. Wir können den anderen Menschen in Gottes Hand legen, ihn seiner Liebe anbefehlen, ihn segnen. Und wen ich segne, dem kann ich nichts böses. So beginnt das dem anderen Vergeben. Und beten bringt mich heraus aus der Rolle des Opfers hin zur Rolle des Täters. Ich tue etwas, ich bete für den anderen. Das befreit.
Wichtig ist es, wenn sie Menschen in der Nähe und in der Ferne finden, die für sie, ihren Dienst und ihr Problem beten. Dann wissen sie sich getragen von deren Gebet.

7. Gibt es keine Lösung, muss man sich vom anderen trennen

Das heißt im schlimmsten Fall für einen Pfarrer oder für eine Pfarrerin, dass die Gemeinde wechselt werden muss. Die Gemeinde bleibt ja. Sie kann ja nicht wechseln. Es kommt leider oft vor, dass die Mehrzahl der Gemeinde den Pfarrer oder die Pfarrerin behalten will. Aber sich eine bestimmte Gruppe durchsetzt. Pfarrer oder Pfarrerin muss gehen. Ursache kann schon sein, dass aus Freunden Feinden wurden.

Fazit

Am Ende bleibt der bittere Beigeschmack des Verlustes. Und es gibt keine Gewinner. Verlierer stehen auf allen Seiten.
Der Pfarrer oder die Pfarrerin wurde in die Rolle des Opfers gedrängt. Es entwickelt sich ein gewisses Misstrauen gegenüber neuen Freundschaften. Jedes Mal wenn sich eine Freundschaft mit Gemeindegliedern anbahnen könnte, kommt im Hinterkopf sofort der Gedanke es könnte ja wieder so werden. Innerlich baut man dann ein Schutzschild auf. Die freundschaftliche Offenheit zu Gemeindegliedern geht verloren. Dann ist es verständlich, dass für viele Pfarrer und Pfarrerinnen im Bezug auf ihren Wohnbereich heißt „My home is my castle.“ Da sie ja sonst so wenige Rückzugorte haben.

Kann man die verlorene Offenheit überwinden?

Aus eigener Kraft wohl kaum. Da sind einfach zu viele Verletzungen da. Für uns Christen ist es nur möglich aus der Kraft des Glaubens.

Nur im Vertrauen auf Gott ist ein Neuanfang möglich!

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