Predigt zu 1. Mose 2,4-9.15 – 15. Sonntag nach Trinitatis 2014
Liebe Gemeinde,
was fällt ihnen ein wenn sie das Wort Paradies hören?
Vielleicht einen Bahnhof in Jena. Früher war er ein wichtiger Umsteigebahnhof, wenn man seine Richtung wechseln wollte, statt von Ost nach West weiter von Süd nach Nord reisen wollte. Doch die Bedeutung für das Reisen hat er mittlerweile verloren und ist nur noch ein kleiner Haltepunkt. Aber Paradies ist in Jena schon immer auch ein Begriff für ein Stadtgebiet, in dem es sich gut leben lässt.
Wenn wir das Wort Paradies hören, haben wir Menschen eine gewisse Vorstellung, wie dieses aussehen muss.
Dabei wird es einerseits als eine altmodische Vorstellung abgelehnt und doch ist andererseits selbst der moderne Mensch von heute auf der Suche nach dem Paradies.
Und wenn er es nicht findet, dann erschafft er es sich.
So ein erschaffenes Paradies finden wir in dem Freizeitpark Tropical Island, etwa 60 km unterhalb von Berlin. Hier wurde ein tropisches Paradies erschaffen. Es wird unter einer riesigen Kuppel künstlich aufrechterhalten. Da kann man mal für ein paar Stunden in die tropische Welt versinken und seine Sehnsucht nach dem Paradies kurzzeitig stillen.
Ob das Ganze aber wirklich etwas mit dem Paradies und dem Garten Eden, wie es uns die Bibel beschreibt, zu tun hat, sei einmal dahingestellt:
Wir lesen Auszüge aus dem älteren Schöpfungsbericht der Bibel aus 1. Mose 2, 4-9.15:
4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden. Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.
5 Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute;
6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.
7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.
9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
Liebe Gemeinde,
ich finde diesen Schöpfungsbericht wunderbar. Wunderbar deswegen,
- weil er mir den Sinn der Schöpfung erklärt,
- weil er den Sinn der Menschwerdung erklärt
- weil er den Sinn des Menschseins erklärt,
- weil er den Schöpfungsakt erklärt.
Diesem Schöpfungsbericht geht es nicht um naturwissenschaftliche Exaktheit. Wer darum diesen Schöpfungsbericht gegen die Naturwissenschaft und ihre Erkenntnisse ausspielt, der vergleicht Äpfel mit Birnen. Das geht einfach nicht, weil beide eine ganz andere Intention und Zielstellung haben.
Bei der Naturwissenschaft geht es um das naturwissenschaftliche Werden und Entstehen der Erde und der ganzen Schöpfung. Hier wird unser menschlicher Erkenntnisstand sich immer verändern und weiterentwickeln.
Bei der Schöpfungsgeschichte geht es um das Schöpfungshandeln Gottes, wie es uns beschrieben ist. Dieses Geschehen ist einmalig und unveränderbar
- Gott der Herr macht
- Gott der Herr blies den Odem ein
- Gott der Herr pflanzte
- Gott ließ wachsen.
Es ist das souveräne Schöpfungshandeln Gottes. Und der Höhepunkt des Schöpfungshandelns Gottes dabei ist die Erschaffung des Menschen. Diese Erschaffung des Menschen ist ein einzigartiger Liebesakt Gottes, weil Gott hier etwas ganz besonderes und einmaliges geschehen lässt. Er verbindet in uns Menschen das Irdische mit dem Göttlichen.
Wie heißt es?
„Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“
Also aus einem Haufen Dreck wird eine unförmige Figur geformt. Sie ist tot. Diese Gestalt ist noch nicht lebensfähig. Sie ist so, wie die Erde von der sie genommen wurde, einfach nur tote Erde. Und doch ist diese Figur der Anfang des Menschseins. Der erste Teil des Schöpfungsaktes des Menschen. Das Geformt werden des Menschen ist kein Zufall, es ist göttliches Handeln.
Es ist der Beginn des Liebesaktes Gottes mit uns Menschen.
Es ist der Anfang von dem, wie es bei Jesaja 43 heißt:
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“
Wir sind als Menschen von Gott gewollt und kein Zufallsprodukt. Das zeigt sich dann besonders im zweiten Teil des göttlichen Schöpfungshandelns an uns Menschen, wo Gott in die geformte irdische noch tote Masse seinen Lebensodem hinein bläst.
Durch den göttlichen Lebensatem gibt er der toten Erde das Leben.
So wird der Mensch in besonderer Weise von Gott geschaffen, als ein Wesen, das in Verbindung steht zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen.
Der Mensch hat nicht einen Leib und eine Seele, er ist Leib und Seele. Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu: „er ist zum Menschsein berufene Erde.“
„Du bist Erde und sollst zu Erde werden!“
- Mose 3,19
„Adam“ – „Erdmann“ – Man soll in dieser Charakterisierung nicht nur den Hinweis auf die Nichtigkeit und Vergänglichkeit des Menschen sehen.
Sie ist auch der Ausdruck eines Heimatgefühls auf der Erde („Mutter Erde“). So wird gerade auch in diesem Schöpfungsbericht die Verbundenheit des Menschen mit der Erde deutlich, weil er ja auch Teil dieser Erde ist.
Vielleicht denken wir einmal an so etwas: Wie schön, an einem Sommersonnentag im Gras zu liegen: ich bin ein Stück Welt!
Wir kommen von keiner anderen Welt und auch von keinem anderen Stern. Wir sind Erde, wir bleiben Erde, wir werden Erde – und doch sind wir von Gott beseelte und berufene Erde, durch den Hauch Gottes, der uns lebendig macht.
Alles andere wurde im Schöpfungsbericht einfach geschaffen:
- Gott wirkte,
- Gott machte,
- Gott handelte.
Auch das ist schon Ausdruck der Größe und der Souveränität Gottes, aber beim Menschen geschah der besondere lebensschaffende Prozess.
Und dann überließ Gott den Menschen auch nicht einfach seinem Schicksal. Vielleicht in den er ihn einfach ins Paradies setzte und sagte: „Mach doch was du willst!“ Sicher schuf er ihm erst einmal einen Lebensraum, auch einen paradiesischen Lebensraum. Er hatte genügend zu essen und zu trinken. Gott sorgt sich auch weiter um den Menschen. Und ihr Lieben, das tut er auch heute. Wie heißt es in der Bibel: „Der Hüter Israel, schläft und schlummert nicht.“
Aber Gott beließ es nicht bei dieser Anfangssituation, bei diesem, man kann es so ausdrücken, Starterpaket.
Gott hat uns nicht zu Marionetten gemacht, sondern durch seinen Lebensatem beseelte Wesen, die aktiv und verantwortungsvoll in dieser Welt und auf dieser Erde handeln sollen.
„Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“
Der Mensch bekommt eine Aufgabe und letztendlich auch den Sinn seines Daseins. Er hat den Garten Eden und darüber hinaus die ganze Schöpfung zu Bauen und zu Bewahren.
Hier im Schöpfungsbericht wird deutlich, dass das Paradies kein Schlaraffenland ist, wo uns die gebratenen Gänse in den Hals fliegen.
Gott stellt den Menschen in die Verantwortung für das Paradies und am Ende für diese unsere Erde.
Der Mensch bekommt die verantwortungsvolle Aufgabe die Tiere zu benamen. Damit macht Gott ihn zu seinem Mitverwalter.
Ein Zweifaches wird deutlich: Gott will für uns sorgen. Dennoch sind wir nicht dafür da unserer Hände in den Schoß zulegen, sondern dürfen und sollen aktiv an der Fürsorge Gottes mittun. Das will Gott.
Unsere Arbeit ist gefragt. Die Arbeit ist auch ein Stück Sinn in unserem Menschsein. Sie sollte aber dennoch nicht der alleinige Sinn des Menschseins sein.
Martin Luther sagt dazu:
„Man kann Gott nicht allein mit Arbeit dienen, sondern auch mit Feiern und Ruhen.“
Auch das gehört zu unserem Menschsein dazu.
Das Wort „Hilft dir selbst, dann hilft die Gott“ ist zwar zynisch gemeint, aber es zeigt, dass ein „Hände in den Schoß legen“ und nur auf Gottes Hilfe hoffen auch nicht der allein richtige Weg ist.
Beides gehört zusammen, das absolute Vertrauen auf die Fürsorge und Hilfe Gottes in unserem Leben und unser verantwortliches aktives Mittun und Arbeiten.
So etwa in der Haltung, wie sie Martin Luther umschreibt, wenn er sagt:
„Bete so, als würde jedes Arbeiten nichts nutzen und arbeite so, als würde jedes Gebet nichts nutzen.“
Darum kann ich euch heute und auch alle weiteren Tage eures Lebens Mut machen, lebt dieses Zweifache: Das absolute Gottvertrauen auf die Fürsorge Gottes und das aktive Handeln in der Verantwortung vor ihm.
Amen.