Diese Aussage klingt erst einmal komisch und ganz und gar nicht so christlich. Ist sie auch nicht! Aber sie ist menschlich. Sie macht deutlich, was viele Menschen in unserer Gesellschaft wollen: sich von Abhängigkeiten befreien und sich selbst finden.
Wie oft hört man den Satz: „Ich will mich erst einmal selbst verwirklichen“. Da werden dann Traditionen, familiäre Bindungen und Verpflichtungen, Arbeitsstellen und vieles mehr über Bord geworfen. Mancher wandert sogar in ein anderes Land und in eine andere Kultur aus. Doch wird man da wirklich frei von Abhängigkeiten? Und wenn ja, kommt man dann nicht auch vielleicht wieder in ganz neue und vielleicht schlimmere Abhängigkeiten? Stephen R. Covey schreibt in seinem Buch “ Die 7 Wege zur Effektivität“ darüber folgendes:
Reaktionen wie „meine Fesseln abwerfen“, mich befreien“, mich selbst verwirklichen“ und „mein eigenes Ding machen“ enthüllen oft fundamentalere Abhängigkeiten, vor denen man nicht weglaufen kann, da sie nicht äußerlich, sondern innerlich sind – Abhängigkeiten wie etwa die, unser Leben durch die Schwächen anderer Menschen zerstören zu lassen oder uns selbst als Opfer von anderen Menschen und Ereignissen zu fühlen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen.
Vielleicht müssen wir wirklich die Bedingungen ändern, unter denen wir leben. Aber das Problem der Abhängigkeit ist eine Frage der persönlichen Reife, die wenig mit den Lebensbedingungen zu tun hat. Oft bleiben Unreife und Abhängigkeit auch unter besseren Bedingungen bestehen.
Also diese Selbstbefreiung nützt im seltensten Fall wirklich etwas.
Ich denke, dass selbst der selbstbewussteste Mensch in Abhängigkeiten lebt. Jeder Mensch lebt in Abhängigkeiten. Das ist Bestandteil unseres menschlichen Seins. Doch Abhängigkeiten bestehen im gesunden Mass im Geben und Nehmen. Beides muss vorhanden sein.
Für uns Christen gibt es noch diese eine große heilende Abhängigkeit Gott gegenüber. Aber es ist keine knechtende Abhängigkeit, sondern eine Abhängigkeit der Liebe. Das Zeichen dafür ist das Kreuz. Und wir dürfen sie als freimachende Abhängigkeit erleben, so paradox das klingen mag.