Predigt Joh. 15, 9-12 (13-17) –Â 21.Stg.n. Trinitatis Reinsdorf 2013
Liebe Gemeinde,
L I E B E – fünf Buchstaben und man stellt sich unter diesen vieles vor. Es ist eines der meist gebrauchten und meist missbrauchten Worte, die wir in unserem Munde führen, und das täglich.
Ganze Wirtschaftszweige leben von diesen fünf Buchstaben. Da sei nur einmal als negatives Beispiel die Sexindustrie genannt. Doch auch in der Musikindustrie wird dieses Wort gebraucht und missbraucht. Vom Schlager bis zur Liebesballade, vom Hip-Hop bis zur Opernarie, überall wird dieses Wort besungen.
Es wird ganz schnell deutlich, dass Liebe etwas ist, was wir alle Menschen brauchen, wonach wir uns alle sehnen. Doch mit der Liebe wird auch viel Missbrauch getrieben.
Erfahren wir in unserem Leben keine Liebe, spüren wir nur recht schnell, dass wir ohne sie ein Defizit haben.
Das weiß auch Jesus, darum zeigt er uns, wo und wie wir dieses Defizit füllen können, wo wir Liebe in einer besonderen Weise erfahren. Soviel Liebe, dass wir sie im überreichen Maß haben und dann weitergeben können.
Wir hören die Worte Jesu dazu aus dem Johannesevangelium Kapitel 15:
9 »Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe
10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich immer die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.
11 Ich sage euch das, damit meine Freude euch erfüllt und eure Freude vollkommen ist.
12 Liebt einander, wie ich euch geliebt habe; das ist mein Gebot.
13 Niemand liebt seine Freunde mehr als der, der sein Leben für sie hergibt.
14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.
15 Ich nenne euch Freunde und nicht mehr Diener. Denn ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut; ich aber habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt: Ich habe euch dazu bestimmt, zu gehen und Frucht zu tragen – Frucht, die Bestand hat. Wenn ihr dann den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben, was immer es auch sei.
17 Einander zu lieben – das ist das Gebot, das ich euch gebe.«
Wenn ich diese Worte lese, dann werde ich immer an den Friedhof in meiner ersten Gemeinde in Nobitz erinnert. Dort stand ein Kreuz als Gedenkstein für die Gefallenen des 1. und 2. Weltkrieges. Leider hat man dieses im vorigen Jahr beseitigt, was mich sehr ärgert. Da man damit ein Stück seiner eigenen Ortskirchengeschichte mit Füßen getreten hat. Dieses Kreuz wurde 1953 aufgestellt, also zu einer Zeit, wo so etwas so gut wie unmöglich war, so etwas zu tun. Dennoch haben es der damalige Pfarrer und die Kirchengemeinden gegen allen Widerstand der damals Herrschenden durchgesetzt, dass das Kreuz errichtet wurde. Eines konnten sie nicht erreichen, dass auf dem Kreuz die Worte standen: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ Wenigstens die Bibelstelle wurde aufgemeißelt: Joh.15,13.
Im 2. Weltkrieg haben viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Aber nicht für die Freunde, sondern für einen totalitären und menschenentwürdigenden Staat. Und daher war ich sogar froh, dass nur die Bibelstelle stand, denn der Text war sonst etwas missverständlich.
Andererseits stand dieses gleiche Wort früher über Altar und Kanzel in der damaligen Pfarrkirche meiner Heimatgemeinde. Doch da wurde durch das Kreuz deutlich, wer der eine war, der sein Leben für seine Freunde gelassen hat – Jesus Christus.
Heute stellt der Predigttext an uns die Frage, was bedeutet dieses Wort Liebe für uns? Dabei geht es in ganz besonderer Weise um die göttliche Liebe – die Agape. Es ist die Liebe – mit der Gott seinen Sohn Jesus Christus für uns opferte.
- Welchen Einfluss hat diese Liebe in unserem Leben?
- Wie wird durch sie unserer Glauben bestimmt bzw. bestimmt sie unseren Glauben?
- Welche Konsequenzen hat das für unser alltägliches Leben heute?
Das erste – es geht hier nicht um irgendwelche Ethik und Moral in unserem Leben. Es geht hier auch nicht um irgendwelche platonische Liebe. Es geht hier um ein Liebe, die aus Beziehungen heraus entsteht.
Zuerst aus der Beziehung zwischen Gott, dem Vater, und seinem Sohn Jesus, so dass Jesus bereit war sein Leben zu opfern. Dass so die göttliche Liebe Mensch werden konnte. Dann eben aus der Beziehung zwischen uns und Gott, zwischen mir und Gott. Dass genau diese Liebe mir gilt, dass Ich diese göttliche Liebe erfahren kann: Göttliche Liebe, die mein Leben verändert. Wir brauchen es, das Gott mit seiner Gnade in uns wirkt.
Jesus sagt zu uns: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“
Jesus ruft uns in Nachfolge, sich mit ihm auf den Weg machen. Diese Liebe Gottes dürfen wir für uns ganz persönlich annehmen und sie im Alltag leben. Vielleicht sogar aus der göttlichen Liebe heraus dann auch den lieben, der uns nicht lieben kann und nicht lieben will.
Das ist nur möglich, wenn wir uns wirklich von Gott seine Liebe und Gnade schenken lasse und sie von ganzem Herzen annehmen.
Zwei Punkte werden deutlich: Jesus Christus ruft uns zur Liebe auf und Jesus Christus ist die Liebe hinein.
Daher sind wir persönlich gefragt. Unser Predigttext ist eine Beziehungsaufforderung von Jesus. Und wenn es um Beziehungen geht, dann wird es immer persönlich. Dann kann man nicht außen davor stehen. Deshalb noch einmal, wenn wir das Beziehungsangebot Jesu ganz persönlich für uns annehmen, hat das für uns und unser Leben Konsequenzen:
1. Jesus macht uns zu Freunden Gottes.
Wir wissen es, dass es für uns unmöglich ist, uns zuerst auf Gott hin zu bewegen.
Im Konfirmandenkurs machen wir immer wieder einmal eine kleine Übung und stellen dieses „Sich zu Gott bewegen wollen und nicht können“ bildlich dar.
Da werden zwei Tische in einem Abstand voneinander aufgestellt. Auf dem einen Tisch ist Gott und auf der anderen Seite sind wir und dazwischen ist ein Graben. Was wir auch versucht haben, wir kamen nicht hinüber. Der Graben war zu groß. Erst als von Gottes Seite ein Brett herüber geschoben wurde, war es möglich hinüber zu gelangen. Und das Brett ist das Kreuz Jesu Christi. Gott sandte seinen Sohn, damit wir mit ihm Gemeinschaft haben.
In Jesus kommt Gott auf uns zu und darin begründet sich seine Liebe und seine Freundschaft.
Das erste Wort, welches Jesus im Predigttext sagt, ist das Wort Vater. Er nennt Gott Vater. Sicher haben in unserer Zeit manche Menschen mit dem Wort „Vater“ große Probleme. Manche haben damit negative Erfahrungen und manche gar keine. Da ist uns Jesus als Freund und Bruder viel sympathischer.
Gottes Freundschaft hebt den Abstand zwischen ihm und uns nicht auf.
Ein väterlicher Freund oder eine mütterliche Freundin ist doch schon etwas anderes als der beste Kumpel am Stammtisch oder die Freundin, mit der man Shoppen geht.
Jesus begegnet uns als Freund und Bruder und doch ist er sogleich unser Herr, dessen Gebot und Auftrag uns gilt. Das Gebot der Liebe, die von Gott kommt und an die anderen Menschen weiter gegeben werden sollen.
2. Jesus bestimmt unser Leben durch seine Liebe
Jesus gibt uns den Auftrag, dass wir einander lieben sollen. Doch mal ehrlich, lässt sich solche Liebe einfach so anordnen?
Wird der Unsympathische auf einmal mir sympathisch, nur weil das Jesus auf einmal so will?
Das liegt vielleicht daran, dass wir eine falsche Vorstellung von der Liebe haben. Seit der Romantik verstehen wir in unserer Gesellschaft Liebe viel zu einseitig nur als Gefühl.
Und genau daran scheitern viele Ehen, dass Mann und Frau in der Illusion leben, ihre Beziehung müsste immer von gegenseitigen Sympathie- und Glücksgefühlen erfüllt sein.
- Und welche Erwartungen haben wir in unserer Gemeinde von dem Anderen?
- Erwarten wir nicht eine irrationale Harmonie unter uns?
Manchmal sage ich: „In der Kirche menschelt es!“
Genau darum brauchen wir die Liebe Jesu und müssen in ihr bleiben.
Das bedeutet, dass der Geist Jesu uns immer wieder hilft, Spannungen auszuhalten, gegenseitig zu verstehen und aufeinander zuzugehen. Auf Grund dieser Gemeinsamkeit in Jesus Christus Unterschiede zu ertragen und aufeinander zu zugehen.
Wahre Liebe ist zum Leiden bereit, aber sie nutzt diese Bereitschaft nicht aus.
3. Jesus lässt uns an der Mission seiner Liebe teilnehmen.
Jesus hat uns einen Auftrag gegeben. Wir sollen Frucht bringen. Das bedeutet, dass wir, die wir jetzt hier als Gemeinde Gottesdienst feiern, nicht weiter zusammen hocken sollen, sondern gehen müssen. Wir müssen gehen in den Montag hinein, hinein in unseren Alltag! Wir gehen wieder in unser Privatleben. Wir gehen morgen wieder zur Arbeit, zur Schule, in unser gesellschaftliches Leben. Wir gehen zu unseren Mitmenschen. Dabei nehmen wir heute eine Mission, einen Auftrag von Jesus mit. Wir werden von Jesus gesandt. Im Alltag soll durch uns die Liebe Jesu für unsere Mitmenschen spürbar und erfahrbar werden. Die Liebe Jesu muss sich im Leben der Gläubigen, das heißt also in unserem Leben widerspiegeln.
Es ist heute schwer mit der Sprache der Lehre die Frohe Botschaft von Jesus Christus unseren Mitmenschen nahe zu bringen. Sie ist abgenutzt und für viele unserer Mitmenschen nicht mehr zugänglich. Darum braucht es heute besonders die Sprache der aktiven und tätigen Liebe. Viele können diese Botschaft nur hören, wenn sie sich durch positive Erfahrung mit Christen dafür öffnen.
Unsere Bitte soll es darum sein, dass die Liebe Jesu von uns und durch uns ausstrahlt auf die Menschen um uns herum. Amen.